Region Hannover/ Hannover. „Sie suchen eine berufliche Herausforderung nach Ihrer Landtagskarriere?“ lautete die provokante rhetorische Frage, die Vertreter*innen des “Aktionsbündnisses Kita-Gesetz“ heute den Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags gestellt haben. Das Aktionsbündnis, zu dem auch die AWO gehört, setzt sich für bessere Bedingungen in den Kindertagesstätten ein und wollte die Abgeordneten per Speeddating auf die aktuelle Situation in den Kitas aufmerksam machen. In knapp drei Wochen ist Landtagswahl in Niedersachsen und die Abgeordneten trafen sich zu ihrer letzten Sitzung in dieser Legislatur. Katja Wingelewski von der Gewerkschaft ver.di sprach von einer dramatischen Situation in den Kitas, die längst keine berufliche Herausforderung mehr sei, sondern vielerorts bereits zu Überlastungen führe. Der Fachkräftemangel habe schon jetzt spürbare Folgen: kürzere Öffnungszeiten in den Einrichtungen, überlastete Mitarbeitende und eine kindgerechte Pädagogik sei kaum noch möglich. Das Land müsse endlich mit umfassenden Maßnahmen reagieren.
Mehr pädagogische Fachkräfte, mehr Schul- und Ausbildungsplätze sowie eine Vergütung in der Ausbildung sind die zentralen Forderungen des Bündnisses, um die angespannte Situation zu verbessern. Aber es gehe auch um die Rahmenbedingungen: gefordert werden ein besserer Fachkraft-Kind-Schlüssel, eine dritte pädagogische Kraft pro Gruppe, mehr Zeit für die zusätzlichen Aufgaben wie Elterngespräche, Inklusion, Vor- und Nachbereitung und Sprachbildung. „Nur dann können wir gewährleisten, dass die pädagogischen Fachkräfte langfristig in ihrem Job bleiben“, sagte Heike Rahlves, stellvertretende Fachbereichsleiterin Tageseinrichtungen für Kinder bei der AWO Region Hannover.
Auch Vertreter:innen der AWO Region Hannover waren heute vor Ort, um mit der Politik ins Gespräch zu kommen und auf die Situation hinzuweisen. „Leider konnten von uns fast keine pädagogischen Fachkräfte dabei sein – weil es der Personalmangel eben nicht zulässt“, betonte Rahlves. In ihren Augen ist die Vergütung in der Ausbildung ein Schlüssel dafür, den Beruf für junge Menschen attraktiver zu machen. „Die Erzieher*innen-Ausbildung dauert vier Jahre, in denen sie kein Geld verdienen. Deshalb entscheiden sich viele interessierte junge Menschen lieber für einen anderen Beruf.“ Das erst in diesem Jahr beschlossene neue Kita-Gesetz verschärfe die desolate Personalsituation, weil der Früh- und Spätdienst nur dann angeboten werden darf, wenn mindestens ein/e Erzieher:in anwesend ist. Sozialpädagogische Assistent*innen reichen für die Extra-Betreuungszeit nicht aus. „Deshalb fällt dieses Angebot immer häufiger aus, da es an Erzieher:innen mangelt“, erklärte Rahlves.
In der ganzen Debatte gehe es aber nicht nur um das Wohl des Personals, sondern auch um das Wohl der Kinder. „Wir dürfen keine Schritte rückwärts machen. Es geht um die frühkindliche Bildung von Kindern und nicht um Aufbewahrung. Je weniger gut ausgebildetes Personal in den Einrichtungen ist, desto weniger findet tatsächlich Bildung statt“, so Rahlves. Aus diesen Gründen fordere das Aktionsbündnis von der Politik eine Nachbesserung des Kita-Gesetzes. „Zum Wohle der Kinder, Eltern und Mitarbeitenden in den Kitas.“
Text & Fotos: Christian Degener/AWO