Älterwerden kann mit Herausforderungen wie Einsamkeit, sozialer Isola- tion und auch Langeweile einhergehen. Die AWO Region Hannover hat deshalb das Projekt “Mittendrin älter werden – aktiv vor Ort” initiiert. Es soll die Lebenssituation von Seniorinnen und Senioren verbessern.
Region Hannover/ Hannover. Sozialarbeiter*innen, die sich auf öffentlichen Plätzen um Jugendliche kümmern, kennt man inzwischen. Genauso Streetworker, die Obdachlose betreuen. Streetwork für ältere Menschen – das ist allerdings ein neuer Ansatz! Das Projekt „Mittendrin älter werden – aktiv vor Ort“ der AWO Region Hannover setzt genau hier an: Die sozialpädagogischen Fachkräfte dieses Angebots sprechen Senior*innen auf der Straße an, um mit ihnen in einen Austausch zu kommen.
Seit März 2023 sind die drei AWO Mitarbeiterinnen Stephanie Böhm, Khatia Rauer und Kaja Tippenhauer mit einem mobilen Stand in den Stadtteilen List und Anderten unterwegs. Sie suchen sich Plätze aus, die stark frequentiert sind, bieten dort warme und kalte Getränke an und gegebenenfalls auch Klappstühle, um sich zusammen zu setzen. „Die Frage ‚Haben Sie Lust auf einen Kaffee?‘ reicht oft als Einstieg für ein längeres Gespräch“, sagt Kaja Tippenhauer, Koordinatorin im Seniorenbüro Anderten. „Viele ältere Menschen haben zu wenig Ansprache und zu wenig soziale Kontakte. Es ist wichtig, dass sie sich wahrgenommen und verstanden fühlen.“
Die drei Streetworkerinnen hören also oft erstmal zu. Im Verlauf eines Gesprächs ergibt sich dann meist die Möglichkeit, ihr Gegenüber auf Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung und Begeg- nung hinzuweisen. Die Begegnungsstätten im Quartier bieten Aktionen wie Nachbarschaftscafés, Gymnastik, Spielerunden oder Smartphone-Schulungen an. „Wir möchten Orte der Begegnung bekannt machen. Wir können auch neue Aktivitäten entsprechend der Interessen schaffen und so eine lebendige Nachbarschaft fördern“, sagt Stephanie Böhm, Quartierskoordinatorin in der List.
Die drei „Streetworkerinnen“ bieten den Senior*innen allerdings nicht nur Informationen zu Freizeitaktivitäten, sondern beraten auch zu Fragen rund um das Älterwerden. „Wir helfen auch bei der Suche nach geeigne- ten ehrenamtlichen oder bezahlten Tätigkeiten für Menschen ab 60 Jahren“, sagt Khatia Rauer. „Wir wollen die Teilhabe älterer Menschen am gesellschaftlichen Leben fördern.“
Allerdings gibt es auch Herausforderungen bei der Umsetzung des Projekts: Einsamkeit und Isolation im Alter sind Probleme, die nicht von heute auf morgen gelöst werden können. Manche Senior*innen gucken sich den Stand und die AWO Mitarbeiterinnen Wochen lang von weitem an, bis sie Kontakt zulassen. Es erfordert Zeit und Geduld, Vertrauen aufzubauen und die Bedürfnisse der Seniorinnen und Senioren zu verstehen. „Es ist auch deshalb hilfreich, dass die Finanzierung des Projektes langfristig gesichert ist“, sagt Stephanie Böhm. Das Projekt „Mittendrin älter werden – aktiv vor Ort“ ist Teil des Programms „Stär-kung der Teilhabe älterer Menschen – gegen Einsamkeit und Isolation“. Dieses Programm wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Europäischen Union durch den Europäi- schen Sozialfonds Plus gefördert. Die Region Hannover und die Stadt Hannover unterstützen das Projekt ebenfalls finanziell.
Das Resümee nach einem Jahr Senioren-Streetwork ist durchweg positiv: „Wir konnten bereits zahlreiche Menschen für Frei- zeitangebote begeistern und einige in ehrenamtliche Tätigkeiten vermitteln“, sagt Kaja Tippenhau- er. Das ist für alle ein Gewinn: Denn in der Lebensphase 60+ steht viel Wissen und Erfahrung zur Verfügung, das für die Gemeinschaft und das soziale Miteinander von großem Wert sein kann.
Text: Julia Meyer-Hermann, Foto: Christian Degener/AWO