Region Hannover. „Ich möchte Model oder Altenpflegerin werden“, sagt Adanna B.*. Die 21-Jährige Ricklingerin mit Migrationsgeschichte besucht seit August vergangenen Jahres die AWO-Jugendwerkstatt Nadelöhr. „Wir qualifizieren junge Frauen, damit sie später am Arbeitsleben teilhaben können“, sagt Gudrun von Alten, Sozialpädagogin im Nadelöhr. In der Werkstatt hat B. nähen und in der AWO Küche kochen gelernt, zusätzlich erhielt sie Berufsorientierung und Bewerbungstraining – und nebenbei hat sie ihre Sprachkenntnisse verbessert. „Ich habe viel bei der AWO gelernt“, sagt sie. Die AWO Region Hannover hat den Fokus der aktuellen Ausgabe ihres Magazin “AWO ImPuls” auf das Thema Teilhabe gerichtet – unter dem Motto “Alle sollen teilhaben können” ist Adanna B. eine von vier Personen, die berichten, wie sie bei der AWO Teilhabe erleben und was Teilhabe für sie bedeutet.
Dabei konnten die Voraussetzungen von B. kaum schlechter sein. Als sie 2016 aus Nigeria nach Deutschland floh, konnte sie weder lesen noch schreiben. „Wenn man in dem Land arm ist, kann man keine Schule besuchen“, berichtet sie. Mit acht Jahren begann sie wie ihr Vater auf einem Bauernhof zu arbeiten, um die Familie finanziell zu unterstützen und ihrer kleineren Schwester den Schulbesuch zu ermöglichen. „Wir wollten es gemeinsam schaffen, dass zumindest ein Familienmitglied die Schule besuchen kann und damit bessere Bildungschancen hat.“ Doch dann kam alles anders: Ihr Dorf wurde von verfeindeten Gruppierungen überfallen und viele wurden getötet. B. konnte entkommen – als einzige aus ihrer Familie. Sie floh nach Libyen und von dort aus mit einem überfüllten Boot nach Europa und Deutschland. Was sie auf der Fahrt erlebte, sei grauenhaft gewesen. „Die Hälfte der Menschen in dem Boot starb während der Überfahrt“, berichtet sie.
Ihr Start in Deutschland sei nicht einfach gewesen – ohne Sprachkenntnisse und ohne Lesen und Schreiben zu können. „Sprache ist der erste Schritt und -wichtige Voraussetzung, um teilhaben zu können“, betont von Alten. Aber nur fünf Jahre später hat B. schon viel aufgeholt – in den -vergangenen Monaten absolvierte sie bereits einen Kurs, der Sprachkenntnisse vermittelt, die man in der Pflege braucht. Kürzlich haben ihr die AWO Mitarbeitenden einen B2-Sprachkurs herausgesucht, der Voraussetzung für eine einjährige Berufsqualifizierungsmaßnahme ist. Im Anschluss an die Qualifizierung könnte sie dann mit der Ausbildung in der Altenpflege beginnen. „Ich mag alte Menschen und verbringe gern Zeit mit ihnen“, sagt sie. In Nigeria, wo es keine Seniorenheime gibt, habe sie oft die Großmutter einer Freundin betreut. „Die Jüngeren kümmern sich um die Alten – so läuft es dort“, sagt sie. Die ältere Frau sei oft einsam gewesen, die Stunden mit ihr hätten sie glücklicher gemacht. „Es war schön, dass ich ihr ein wenig helfen konnte“, sagt B. Und so wäre sie auch nicht traurig, wenn es mit der angestrebten Modelkarriere nicht klappt.
* Name von der Redaktion geändert
Die gesamte aktuelle Ausgabe der “AWO ImPuls” gibt es hier online zum Durchblättern.
Text & Foto: Christian Degener/AWO