Region Hannover/ Hannover. Die aktuelle Ausgabe unseres Magazins “AWO ImPuls” widmet sich dem Ehrenamt und Freiwilligenarbeit. Etwa 700 Menschen sind ehrenamtlich bei der AWO Region Hannover im Einsatz – in den Ortsvereinen und in den sozialen Einrichtungen und Diensten. Welche Bedeutung das für die Arbeit hat und welche Ziele und Visionen die AWO in Sachen Ehrenamt und Freiwilligenarbeit verfolgt, erklärt Adalbert Mauerhof, Leiter der Fachbereiche Verbandsarbeit und Seniorenarbeit bei der AWO Region Hannover, im Interview.
Gibt es einen Unterschied zwischen Ehrenamt und Freiwilligenarbeit?
Adalbert Mauerhof: Es gibt tatsächlich eine wissenschaftliche Unterscheidung. Demnach gehört zum Ehrenamt alles, was auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch basiert, also in einem gesetzlichen Kontext steht: Wenn jemand Vorsitzender oder Vorsitzende eines Vereins ist, ehrenamtliche Schöffin oder Betreuer bei einer Vormundschaft. Unter Freiwilligenarbeit fallen Tätigkeiten, die nicht diese gesetzliche Grundlage haben, zum Beispiel wenn sich jemand bei der Hausaufgabenhilfe in einem Hort, zum Vorlesen in der Kindertagesstätte, im Repair-Café oder bei einer Tafel engagiert. Das ist die offizielle Version.
Die andere Seite ist die Wahrnehmung oder das Gefühl. Die meisten Menschen sagen, wenn sie etwas unentgeltlich für andere tun, ich bin ehrenamtlich tätig. Der Begriff Ehrenamt wird im Alltagsgebrauch für eine Tätigkeit für die Gemeinschaft verwendet, die unentgeltlich ist.
Welche Rolle spielen Ehrenamt und Freiwilligenarbeit bei den verschiedenen Angeboten, Projekten und Veranstaltungen der AWO Region Hannover?
Adalbert Mauerhof: Hier ist zu unterscheiden zwischen dem hauptamtlichen Bereich mit den sozialen Diensten und Einrichtungen und dem verbandlichen Bereich. Die 40 AWO Ortsvereine mit ihren 4.200 Mitgliedern werden ausschließlich durch ehrenamtliches Engagement getragen. Im hauptamtlichen Bereich spielt das Ehrenamt eine große Rolle, zum Beispiel in der Seniorenarbeit. Da haben wir 40 bis 50 Ehrenamtliche und Freiwillige, die die Nachmittage in den Seniorenclubs betreuen oder bestimmte Neigungsgruppen wie Sport-, Gymnastik-, Spiele-, Theater- oder Chorgruppen, die alle ehrenamtlich oder freiwillig engagiert geführt werden.
Wie viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich bei der AWO Region Hannover?
Adalbert Mauerhof: Wir führen keine Statistik in dem Sinne, dass wir jeden einzelnen aufschreiben. Wir gehen von 650 bis 700 Ehrenamtlichen und Freiwilligen aus, davon etwa 10 bis 15 pro Ortsverein der insgesamt 40 Ortsvereine. Dabei machen wir keinen Unterschied, in welchem Umfang sich die Menschen engagieren. Manche sind einmal im Monat dabei, andere jede Woche oder auch nur bei bestimmten Veranstaltungen. Wir haben da keine Kategorisierung. Wir zählen alle. Dazu gehören zum Beispiel auch die Freiwilligen, die sich bei der Aktion „AWO rennt“ am Wochenende des Hannover-Marathons engagieren.
Die sind dann nur bei dieser einmal im Jahr stattfindenden Veranstaltung dabei?
Adalbert Mauerhof: Genau. Das nennt man dann projektorientiert – fluides Engagement ist der moderne Ausdruck dafür. Immer mehr Menschen wollen sich engagieren, aber sie wollen sich nicht festlegen und suchen sich einzelne Veranstaltungen aus. Bei uns gibt es Freiwillige, die bei „AWO rennt“ mitmachen, weil sie sich der AWO verbunden fühlen, weil sie dort nette Menschen treffen und weil es sie interessiert. Dann gehen sie zum DRK oder engagieren sich in ihrem Stadtteil beim Sommerfest. Das nennt man fluides Engagement.
Wie kommen Freiwillige und Ehrenamtliche zur AWO Region Hannover?
Adalbert Mauerhof: Es gibt verschiedene Wege. Die einen gehen über das Internet und sehen, dass wir Freiwillige und Ehrenamtliche suchen und rufen direkt an. Andere informieren sich im Freiwilligenzentrum in Hannover. Dort sind wir mit mehreren Tätigkeitsprofilen hinterlegt, in denen wir beschreiben, welche Tätigkeiten die Engagierten bei uns erwarten. Wenn sich jemand engagieren möchte und weiß, welche Tätigkeit er ausüben oder in welcher Einrichtung er arbeiten möchte, verweise ich als Ansprechpartner an die entprechende Stelle. Wenn die Person sich nicht sicher ist, was sie machen möchte, lade ich zu einem Gespräch ein, um gemeinsam herauszu- finden, welche Möglichkeiten es gibt. Ich halte nichts davon, einen fertigen Katalog zu präsentieren, aus dem man sich „das Beste“ aussuchen kann. Denn oft kommt es vor, dass jemand im Gespräch Dinge für sich entdeckt, die er aufgrund der reinen Tätigkeitsbeschreibung vielleicht ausgeschlossen hätte. Hier geht es um ressourcenorientiertes Engagement – also, ob jemand bestimmte Hobbys, Kenntnisse oder Vorlieben hat. In dem Sinne, ich habe die und die Fähigkeiten und die möchte ich gerne einsetzen. Und da versuchen wir gemeinsam etwas zu finden.
Auch Unternehmen wollen sich engagieren?
Adalbert Mauerhof: In vielen Unternehmen gibt es sogenannte Social Days. Sie haben entdeckt, dass darin ein Potenzial liegt für Teambildung und fragen uns an. Ein- bis zweimal im Jahr arbeiten dann Mitarbeitende eines Unternehmens einen Tag lang in einer Einrichtung mit, wie kürzlich zehn Beschäftigte der Nord/LB, die den Garten vor der Begegnungsstätte in Anderten aufgeräumt und ein Hochbeet gebaut haben.
In welchen Bereichen können sich die Menschen bei der AWO Region Hannover engagieren?
Adalbert Mauerhof: Theoretisch in jedem Bereich. Es besteht aber nicht immer die Möglichkeit, Engagierte einzuplanen und einzubauen.
Welche Art von Unterstützung und Schulung erhalten Ehrenamtliche und Freiwillige, um sie auf ihre Aufgaben vorzubereiten?
Adalbert Mauerhof: Die Unterstützung erfolgt durch die Leitung der Einrichtung vor Ort. Dazu gehört eine klare Kommunikation über die Aufgabe, aber auch über die gegenseitigen Rechte und Pflichten. So hat der Hauptamtliche die Pflicht, den Freiwilligen einzuarbeiten – ihn durch die Einrichtung zu führen, ihn dem Team vorzustellen und zu kommunizieren, welche Aufgaben er übernimmt. Auf der anderen Seite wird der Freiwillige darüber informiert, dass er mit seiner Aufgabe, zum Beispiel jeden Dienstag in der Kita vorzulesen, eine Verpflichtung eingeht und diese auch erfüllt. Unser Ziel ist es, dass sich die Frei- willigen eingebunden und zugehörig fühlen. Sie schenken uns ein Stück ihrer Lebenszeit und sollen sich bei uns wohl fühlen. Sie sind ein Teil des Teams und bestenfalls auch Botschafter oder Botschafterin der AWO. Im Bereich Seniorenarbeit erhalten die Clubleitungen spezielle Schulungen zu Themen wie Gruppendynamik, Organisation von Reisen oder auch Rechtsextremismus.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Organisation und Koordination von Ehrenamtlichen und Freiwilligen?
Adalbert Mauerhof: Im Vordergrund steht die Frage: Schaffen wir es, für jeden, der sich engagieren möchte, das passende Betätigungsfeld zu finden? Es gibt Aufgaben, die nicht so beliebt sind und Aufgaben, um die sich die Menschen reißen. Das sind zum Beispiel Tätigkeiten, bei denen man direkt mit der hilfesuchenden Klientel zu tun hat, wie bei der Tafel in Barsinghausen, beim Mittagstisch in Anderten oder auch beim Vorlesen in der Kindertagesstätte. Die Menschen engagieren sich gerne dort, wo sie direkt etwas zurückbekommen – also Anerkennung und Wertschätzung. Das möchten viele machen. Dagegen wird es immer schwieriger, Ehrenamtliche zu finden, die bereit sind, in den Ortsvereinen im Vorstand mitzuarbeiten und sich kontinuierlich engagieren. Die Menschen wollen flexibler sein und sich nicht mehr so lange binden.
Wie wird die Anerkennung und Wertschätzung der Arbeit der Ehrenamtlichen innerhalb der AWO Region Hannover umgesetzt?
Adalbert Mauerhof: In den Ortsvereinen werden die Ehrenamtlichen in der Regel auf der jeweiligen Jahreshauptversammlung geehrt, zum Beispiel mit einem Gutschein, einem Blumenstrauß oder einem gemeinsamen Essen in einem Restaurant. In der Seniorenarbeit wird ein gemeinsames Weihnachtsfest für die Ehrenamtlichen ausge- richtet. Auch in den Einrichtungen und Diensten geschieht dies ganz individuell – mit einem Sommerfest, einem gemeinsamen Essen oder anderen Aktivitäten.
Für nächstes Jahr planen wir seit langem wieder ein Ehrenamtsfest für alle. Das war wegen Corona ausgefallen. Mein Wunsch ist es, einen Sommerempfang zu organisieren, zu dem alle Ehrenamtlichen und Freiwilligen kommen, egal ob sie im Repair-Café arbeiten, sich als Behördenbegleitung oder im Ortsvereinsvorstand engagieren.
Welche Ziele und Visionen hat die AWO Region Hannover im Hinblick auf Ehrenamt und Freiwilligenarbeit?
Adalbert Mauerhof: Zum Beispiel die Einführung eines verbandsweiten Freiwilligen-Managementsystems, also den Umgang mit der Gewinnung und dem Einsatz von Ehrenamtlichen und Frei- willigen zu strukturieren und mit digitalen Formaten zu unterstützen. Ziel ist das sogenannte Matching „Ich suche/ich biete“ transparenter zu gestalten. Weiteres Ziel ist es, ein Instrumentarium zu etablieren, um auf das fluide, das heißt projektorientierte und punktuelle Engagement besser eingehen zu können. Hier gibt es verschiedene Ansätze, wie zum Beispiel die Einrichtung einer Ad-hoc-Gruppe – das ist eine anlass- bezogene Gruppe für Menschen, die sich zum Beispiel einmalig bei „AWO rennt“ auf dem Marathon-Wochenende engagieren wollen. Für diese Gruppen können sich Interessierte anmelden, müssen sich aber nicht abmelden, weil ihr Engagement nur auf diese eine bestimmte Veranstaltung ausgerichtet ist. Ich wünsche mir, dass die Ressource Freiwillige noch besser gesehen wird – als eine Chance für eine Weiterentwicklung unserer Arbeit.