Hannover. „Die Stimmung droht zu kippen“, sagt Claudia Schrader, Einrichtungsleiterin des Ambulant Betreuten Wohnen der AWO Region Hannover. Deshalb wurde das Kontaktangebot für die Klientinnen und Klienten jetzt auf gemeinsame Spaziergänge ausgeweitet. „Dazu vereinbaren wir mit den Betroffenen je nach individuellem Betreuungsbedarf einen oder mehrere feste Termine in der Woche, in denen wir sie anrufen und/oder mit ihnen spazieren gehen und dabei all das besprechen, was wir sonst bei einem Hausbesuch auch thematisieren würden“, so Schrader.
Das Team des Ambulant Betreuten Wohnen der AWO Region Hannover hat die Kontakte zu den Klientinnen und Klienten bisher überwiegend auf telefonischem Weg aufrechterhalten. „Aufgrund der Corona-Pandemie können wir nicht wie in normalen Zeiten Betreuungsleistungen in Form von Hausbesuchen oder Begleitungen außer Haus durchführen“, sagt Schrader. Für Einzelne werde aber dennoch zum Beispiel das Einkaufen erledigt. Das betreffe vor allem diejenigen, die, aufgrund ihrer Angsterkrankung, vorher beim Einkaufen begleitet und angeleitet wurden, aber auch Risikopatienten, die wegen einer entsprechenden Vorerkrankung bei Infizierung mit dem Corona-Virus besonders gefährdet wären. „Bei akuten Notfällen fahren wir auch weiterhin zu den Klienten nach Hause“, betont Schrader.
Insgesamt betreuen die AWO Fachkräfte derzeit 70 psychisch Erkrankte im Ambulant Betreuten Wohnen und drei Klienten, die vom Jobcenter für eine psychosoziale Beratung vermittelt worden sind. Alle sind darüber informiert, dass sie sich von Montag bis Freitag in der Zeit von 8 bis 16.30 Uhr bei Bedarf telefonisch melden können. „Wir bieten darüber hinaus regelmäßig vereinbarte Telefontermine an, die zum Teil bis zu einer Stunde dauern können“, erklärt Schrader. Dennoch sei jetzt nach vier Wochen feststellbar, dass dies den meisten Klienten nicht mehr auszureichen scheint. Vielen ginge es, aufgrund der allgemein beängstigenden Situation im Umgang mit dem Virus und wegen ihrer ohnehin vorhandenen psychischen Erkrankung und des Wegbrechens wichtiger sozialer Kontakte, schlechter. Sie berichteten zunehmend von starken Ängsten.
Weil auch andere Einrichtungen aus dem sozialpsychiatrischen Verbund wie Tagesstätten, Kontaktstellen, Ergotherapie- oder Psychotherapiepraxen die Kontakte auf eine telefonische Versorgung umgestellt haben oder zum Teil ganz geschlossen sind, und es derzeit auch sonst kaum Möglichkeiten zur Begegnung mit anderen Menschen gebe, litten die Klienten unter der sozialen Isolation, aber auch unter dem Verlust einer sinnvollen Tagesstruktur, berichtet Schrader. Daher sei es wichtig, das Kontaktangebot soweit wieder hochzufahren, um den Klienten persönlich begegnen zu können. „Das Spazierengehen ermöglicht ein Treffen – quasi von Angesicht zu Angesicht“, sagt Schrader.
Das Team des Ambulant Betreuten Wohnen sei guten Mutes, die derzeitige für alle schwierige Lage zu bewältigen und so gut es geht für die Klienten da zu sein. „Wir sind trotz Homeoffice in fast täglichem Kontakt miteinander und führen Dienstbesprechungen in Form von Telefonkonferenzen durch. Bei aktuell auftretenden Problemen verabreden wir uns ebenfalls spontan zu einer Telefonkonferenz“, erklärt Schrader. Eine Herausforderung sieht Schrader darin, die Klienten durch den persönlichen Kontakt mit einer eventuellen Übertragung des Corona-Virus nicht in Gefahr zu bringen und sich auch selbst nicht zu gefährden. Andererseits auch darin, deren psychische Bedürfnislage nicht zu unterschätzen und ihnen durch persönliche Präsenz Sicherheit vermitteln zu wollen.
Zum Hintergrund
Das Ambulant Betreute Wohnen der AWO Region Hannover ist eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX und unterstützt Menschen mit einer psychischen Erkrankung in ihrer eigenständigen Lebensführung.