Region Hannover/ Seelze. Neues Gesicht im Team der AWO Frauenberatung: Julia Sixt wird künftig Seelzer Frauen in Krisensituationen beraten. Nach einer kurzen Einarbeitungsphase habe sie sich bereits gut eingefunden. Die AWO Beratungsstelle, untergebracht im Sozialen Haus an der Schillerstraße 2, sei gut vernetzt in Seelze und sie freut sich auf die neue Arbeit. Sixt ist von Beruf psychoanalytische Kunsttherapeutin und systemische Traumatherapeutin. Die Arbeit mit belasteten oder von Gewalt betroffenen Frauen ist nicht neu für sie. Vor ihrer mehrjährigen Tätigkeit in einer Rehabilitationsklinik für Abhängigkeitserkrankungen, war sie als Honorarkraft im Mädchen- und Frauenzentrum Garbsen tätig.
Bei der AWO zu arbeiten, einem sozialpolitischen Wohlfahrtsverband mit langer Tradition, „passt zu meinen Werten“. Sixt verweist darauf, dass sich der Verband schon seit 100 Jahren für die Interessen von Frauen einsetzt: Gründerin Marie Juchacz war eine bekannte Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin – und die erste Frau überhaupt, die in einem deutschen Parlament sprechen durfte. Gleichstellung sei ein Herzensthema für sie. „Ich bin feministisch erzogen worden. Selbstbestimmung und Frauenrechte sind wichtige Themen“, betont die Mutter von zwei Kindern. Verstärkt habe sich der Zugang dazu durch die Erziehung ihrer Tochter. „Egal ob Lohnungerechtigkeit, Sexismus, Gewalt oder andere Benachteiligungen – es muss noch einiges passieren bis zu einer Gleichstellung“, betont sie.
Sixt berät Frauen mit vielschichtigen Problemen. Viele leben in einer konfliktgeladenen Partnerschaft und die Pandemie hat ihre Probleme verschärft, wie Zahlen der Interventions- und Koordinierungsstelle gegen Häusliche Gewalt – kurz BISS – belegen. Die AWO Beraterin schildert einen aktuellen Fall: So sei kürzlich eine junge Mutter zu ihr gekommen, die sich trennen will, weil ihr Ehemann gewalttätig ist. Sie möchte aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. Sixt klärte sie darüber auf: Wichtig sei eine frühzeitige und gründliche Planung. Unterlagen wie Ausweise, Geburts- und Heiratsurkunde sollten gesichert werden – „dann schauen wir gemeinsam, was wir machen können“. Sie habe die Frau außerdem darüber informiert, dass sie bei akuter Gefahr die Polizei rufen soll. Der Ehemann könne dann vorerst der Wohnung verwiesen werden, wenn weiterhin Gefahr droht.
Schritt für Schritt und in ihrem eigenen Tempo könnten die Klientinnen ihre Probleme angehen. Wer Gewalt erlebt hat, brauche oft mehrere Anläufe, um sich zu trennen. Manche Frauen kämen zunächst ein bis drei Mal in die Beratungsstelle, brechen dann den Kontakt ab und kommen erst später wieder. Oft helfe ein erstes Entlastungsgespräch, um den Leidensdruck zu mindern. „Die Frauen entscheiden selbst, wann sie welche Veränderungen für sich umsetzen wollen“, betont Sixt.
Wird der Betroffenen Hilfe und Verständnis entgegengebracht, wage sie eher den Schritt, die gewalttätige Beziehung zu beenden. Manche hätten nach einer jahrelangen toxischen Beziehung kaum noch ein Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse und Stärken. „Unsere Aufgabe sehen wir darin, die Frauen in ihrer Autonomie zu bestärken und ihnen Wege in ein selbstbestimmtes Leben aufzuzeigen. Wir bestärken sie, indem wir gemeinsam schauen, wo ihre Ressourcen liegen“, so Sixt. In die Frauenberatung zu kommen setz nicht unbedingt große Krisen wie Trennungen und Gewalt voraus. „Die Belastungen von Frauen sind vielschichtig – es gibt auch viele andere Belastungen, die zu Überforderungen führen können“, betont die Beraterin.
Ende Juni feiert die AWO Beratungsstelle in Seelze bereits ihr 10-jähriges Bestehen. Öffentlichkeitsarbeit werde ein wichtiger Teil ihrer Arbeit sein, kündigt Sixt an. Demnächst wolle sie in den örtlichen Geschäften und Einrichtungen Flyer verteilen, um erneut auf das Beratungsangebot hinzuweisen. Und sie möchte Angebote unter dem Titel „Ist das noch Ok?“ für Teenager in Schulen organisieren. „Es gibt junge Frauen, die ihre Grenzen nicht kennen oder sich unsicher sind, ob das Verhalten ihres Freundes noch normal ist oder bereits übergriffig“, sagt Sixt. Als Beispiele nennt sie besitzergreifendes und kontrollierendes Verhalten, starke Eifersucht und Durchsuchen des Handys. „Hier wird Kontrolle mit Liebe verwechselt. Es heißt dann, er macht das, weil er mich so sehr liebt“, sagt Sixt. Digitale Gewalt ist zunehmend ein Thema, auch hier wolle sie sensibilisieren. Dazu gehörten Mobbing in den Sozialen Medien oder das Einstellen privater Fotos ins Internet.
Im Fokus ihrer Arbeit stehe auch die Netzwerkarbeit mit der Gleichstellungsbeauftragten und den Institutionen der Stadt: „Vernetzung ist ein wichtiger Bestandteil für die erfolgreiche Arbeit einer Frauenberatungsstelle“. Sixt plant eine Trennungs- und Scheidungsgruppe interessierte Frauen können sich gerne ab sofort bei ihr melden.
Die AWO Frauenberatungsstelle in Seelze ist von Montag bis Freitag erreichbar. Termine (auch nachmittags) finden in der Schillerstraße 2, 30926 Seelze statt, Terminvereinbarung unter: 01520 9895671.
Text & Foto: Christian Degener/AWO