„Ich liebe Radfahren – es ist mein neues Hobby“, sagt Maryam Z.*. Sie und neun andere geflüchtete Frauen nehmen derzeit an einem Radfahrkurs im Sahlkamp in Hannover teil, den die AWO-Beratungsstelle für Integrations- und Migrationsfragen in Kooperation mit der Gemeinwesenarbeit Sahlkamp anbietet. Unter Anleitung von Charlotte Niebuhr, zertifizierte Radfahrlehrerin des ADFC Region Hannover, lernen die Teilnehmerinnen auf dem Pausenhof der Grundschule Hägewiesen innerhalb von zwei Wochen das Radfahren.
Was man in Deutschland bereits als Kind lernt, ist nicht überall auf der Welt selbstverständlich: „Es gibt Länder, in denen manche Frauen nie Radfahren gelernt haben – teilweise aus gesellschaftspolitischen Gründen, teilweise aber auch, weil es keine Möglichkeiten für sie gab“, sagt AWO Sozialarbeiterin Valeriya Ivanov. In Deutschland sei man beeinträchtigt, wenn man kein Rad fährt – sei es der Weg zum Einkaufen oder zum Arzt. „Radfahren ist auch ein Stück Integration“, sagt Ivanov. Selamawit Abraham aus Eritrea möchte ihre Kinder später gern mit dem Rad zur Schule bringen und nimmt deshalb an dem Kurs teil. Wo sie her kommt, lernen nur die Frauen in den Städten das Radfahren. „Ich stamme aus einem Dorf und habe es deshalb nicht gelernt“, so Abraham. Außerdem sei das Rad für sie ein günstiges Fortbewegungsmittel, später wolle sie damit zur Arbeit fahren.
Der Kurs biete die Möglichkeit, das Radfahren in einem geschützten Rahmen und mit fachlicher Begleitung zu erlernen, erklärt Niebuhr. Dabei diene Radfahren nicht nur der Fortbewegung, sondern eröffne ein völlig neues Lebensgefühl. „Es ist ein Stück Freiheit für die Frauen. Es gibt ihnen auch Selbstvertrauen – das merke ich immer wieder bei den Teilnehmerinnen“, so Niebuhr.Sie bietet seit vielen Jahren Radfahrkurse nach dem sogenannten Moveo ergo sum-Konzept („ich bewege mich, also bin ich“) an. In deren Fokus stehe das natürliche Entfalten von Wahrnehmen, Bewegen und Handeln. Durch spielerische, angemessen dosierte und anspruchsvolle aber auch herausfordernde Übungen sollen die Teilnehmerinnen Vertrauen in Ihre Fähigkeiten und Fahrkünste entwickeln, erklärt Niebuhr.
Die ersten Tage haben die Teilnehmerinnen auf Laufrädern mit Handbremsen geübt. So wird schon mal Abstand halten und Bremsen erprobt. Nach wenigen Tagen sattelten die Frauen dann auf vom ADFC zur Verfügung gestellte Fahrräder um, die kleinere Reifen haben, so dass sich alles näher am Boden abspielt und die Angst minimiert wird. Täglich standen zwei Stunden Praxis und eine Stunde Theorie auf dem Lehrplan. Beim theoretischen Teil erkundeten die Frauen mit Hilfe eines Stadtplans die Radwege ihres Stadtteils. Zum Abschluss des Kurses wollen die Frauen eine gemeinsame Radtour zum nahegelegenen Märchensee unternehmen.
*Name redaktionell geändert