Region Hannover/Sehnde. Kathrin Olthoff heißt die neue AWO Frauenberaterin in Sehnde. Sie hat vor kurzem die Nachfolge von Franziska Albers angetreten. Die Einarbeitung fällt ihr leicht, denn die 44-Jährige bringt viel Erfahrung in der Beratung von Frauen in Krisensituationen mit. Zuvor arbeitete sie im Celler Frauenhaus und war bei der Interventions- und Koordinierungsstelle gegen Häusliche Gewalt – kurz: BISS – tätig. „Ich habe eine neue Herausforderung gesucht und freue mich auf die Arbeit hier in Sehnde“, sagt die 44-Jährige.
Der neue Job ist ihre dritte berufliche Station. Olthoff hat Soziale Arbeit in Hannover studiert – doch erst später: Zunächst bekam sie Kinder und lebte eine Zeit in England. Zu Beginn ihres Studiums hatte sie eigentlich vor, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, doch bei einem Praktikum in einer Mutter-Kind-Einrichtung merkte sie schnell, dass ihr die Arbeit mit Frauen am meisten Spaß macht. Deshalb richtete sie den Fokus ihres weiteren Studiums auf Frauen aus und beschäftigte sich mit feministischer Theorie und Gleichberechtigung. „Mir wurde klar, dass ich Frauen dabei unterstützen möchte, ein selbstständigeres und selbstbestimmteres Leben führen zu können“, sagt Olthoff.
Im Sehnder Rathaus, wo die AWO Frauenberatungsstelle untergebracht ist, sei sie „als Neue mit offenen Armen empfangen worden“. Besonders freut sie sich, welchen Stellenwert die Gleichstellung und Unterstützung für Frauen im Rathaus habe, und über die Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsbeauftragten Jennifer Glandorf und ihrer Stellvertreterin. Erfreulich sei auch die gute Öffentlichkeitsarbeit. „Aufklärung ist wichtig – gerade häusliche Gewalt ist immer noch ein Tabuthema“, so Olthoff. So möchte sie unter anderem eine Fachkräfteschulung zum Thema häusliche Gewalt für Erzieher*innen und Lehrer*innen anbieten.
Corona habe die Krisen noch verstärkt – so meldeten sich seitdem mehr Frauen aufgrund von häuslicher Gewalt in der AWO Frauenberatungsstelle im Ostkreis, zu der auch Sehnde gehört, als zuvor. „Leider ist die Pandemie aus verschiedenen Gründen eine Hürde, sich Hilfe zu holen“, sagt Olthoff. So sind für manche Frauen die aktuell geltenden Bestimmungen nicht immer klar, andere finden als Mütter keine Zeit für sich selbst – oder der Partner ist Zuhause, weshalb sich die Frauen nicht trauen, eine Beratungsstelle aufzusuchen. „Es kommt vor, dass Frauen mitten im telefonischen Beratungsgespräch auflegen, weil der Mann den Raum betritt.“
Während der Pandemie habe nicht nur die häusliche Gewalt zugenommen, sondern der Beziehungsstress im Allgemeinen. „Die Einschränkung der Mobilität hat dazu geführt, dass Paare sehr viel Zeit auf engstem Raum verbracht haben – im schlimmsten Fall führte das zu schwersten Beziehungskonflikten“, so die Frauenberaterin. Scheidungen und Trennungen seien immer noch die häufigsten Beweggründe, warum Sehnder Frauen die AWO Beratungsstelle aufsuchen. „Es ist wichtig, dass sie nicht zu lange zögern und der Leidensdruck zu hoch wird. Manches Mal hilft schon ein Entlastungsgespräch“, weiß die Frauenberaterin.
Die Gründe, warum Frauen auch in schweren Krisensituationen länger bei ihren Partnern bleiben seien vielfältig. „Manche wollen ihren Kindern nicht das Familiennest nehmen“, sagt Olthoff. Andere seien finanziell abhängig, da sie wegen der Kinder nicht arbeiten und über kein eigenständiges Einkommen verfügen. Oder sie arbeiten in Teilzeit- oder Minijobs; hinzu komme häufig, dass Männer keinen Unterhalt zahlen. Manche blieben aus Furcht. „Wenn der Partner zum Beispiel damit droht, ihnen die Kinder wegzunehmen“, berichtet Olthoff. In solchen Fällen bietet die AWO auch eine Rechtsinformation durch eine Anwältin an. „Ich bestärke die Frauen auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit und unterstütze sie.“
Olthoff setzt auch weiterhin auf gute Öffentlichkeitsarbeit- die Beratungsstelle müsse sichtbar sein. Um sich als neue Frauenberaterin in Sehnde bekannt zu machen, hat Olthoff Plakate in den Supermärkten und Geschäften aufgehängt und ist ins Gespräch gekommen. „Die Resonanz war sehr positiv“, freut sich Olthoff. Die Frauenberaterin hofft wie alle, dass die Pandemie bald vorbei ist. Dann möchte sie zum Beispiel einen Selbstverteidigungskurs für Frauen anbieten.
Text & Foto: Christian Degener/AWO