Region Hannover/ Lehrte. Ein rhythmischer Hip-Hop-Beat ertönt aus einem kleinen Lautsprecher und die zehn Kinder und Jungendlichen im Gruppenraum der AWO Flüchtlingsberatungstelle in Lehrte fangen an, im Takt der Musik zu wippen. „Eins, zwei, drei, vier – und los“, gibt Rapper Emre Gönülcan den Einsatz vor und es erklingt die erste Strophe eines Rap-Songs, den die Teilnehmenden in den vergangenen Tagen gemeinsam mit ihm selbst geschrieben haben: „Wenn ich Geld hätte, würde ich alle Menschen glücklich machen, denn es hilft mir, wenn alle anderen lachen“. Am Anfang sind die Kinder und Jugendlichen noch ein wenig zögerlich und sehr darauf konzentriert, den Einsatz nicht zu verpassen. Dann kommt der Refrain und sie legen mit viel Selbstvertrauen los: „Wir geben nicht auf, leben den Traum, wollen andere retten, um Schmerzen zu vergessen“.
Das Rap-Projekt ist ein einwöchiges Ferienprogramm, das die AWO kostenlos für Kinder mit Migrationsgeschichte anbietet und von der Stadt Lehrte mit knapp 3000 Euro gefördert wird. Gönülcan begleitete das Angebot, er kommt von „Rapflexion“, einem Projekt, das darauf ausgerichtet ist, die Sprache und Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen mit Hilfe von Rap-Musik zu fördern. Zu Beginn des Workshops wurden zunächst Themen ausgewählt, um eine Grundlage für das Schreiben eigener Stücke zu schaffen. „Wir redeten darüber, was die Jugendlichen bewegt. Familie und Gesundheit, Krieg und Fluchterfahrung waren die Themen, die sie am meisten beschäftigen“, berichtet Gönülcan.
Vorab stellte er ihnen außerdem die Frage, was sie mit einer Million Euro anfangen würden. Schnell kam heraus, dass die Kinder gern anderen helfen würden, damit sie über Schmerzen und Leid hinwegkommen können. „Kurz gefasst: Dass sie andere glücklich machen wollen“, so Gönülcan. Zu den gewünschten Themen suchte er dann Wörter raus und besprach sie mit den Teilnehmenden. Dabei habe er darauf geachtet, dass es „eine gute Sprache ist und die Texte keine Beleidigungen oder extreme Formulierungen beinhalten“.
Das Projekt sei hervorragend für die Sprachförderung geeignet. „Die Kinder erlernen rappend die deutsche Sprache“, erklärt AWO Mitarbeiterin Chantal Ihle. Die Musik schaffe außerdem eine Verbindung zwischen den Kindern. „Sie sind stolz darauf, was sie gemeinsam geschafft haben: einen selbst geschrieben Song.“ Und so ist es nicht verwunderlich, dass einige der Kinder bei der Musik bleiben wollen. „Ich mag das Singen und den Rhythmus von Rap – und ich kann damit meine Gefühle ausdrücken“, sagt der 12-Jährige Jagar. Mit dem Sprechgesang könne er Dinge verarbeiten, berichtet der neunjährige Rohif. „Meine Familie ist vor dem Krieg geflüchtet und es gab Kriegsopfer in unserer Familie.“ Ein großes Ziel für die beiden Jungen ist es: Ein eigenes Video aufzunehmen. „Musik ist das schönere Reden“, findet Rohif.
Text & Foto: Christian Degener/AWO