Hannover/ Seelze. „Frei leben – ohne Gewalt“ – steht auf einer Flagge, die Mitarbeiterinnen der AWO Region Hannover heute gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten Gabriela Giesche und Mitgliedern des Seelzer Runden Tisches gegen häusliche Gewalt auf dem Rathausplatz gehisst haben. Anlass ist der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“ – mit dem Hissen der Flagge wollten die Akteure ein Zeichen gegen häusliche Gewalt setzen. Außerdem werden derzeit Plakate an Einrichtungen, Unternehmen und Institutionen verschickt, die auf Toiletten für Frauen und Mädchen aufgehängt werden sollen. Sie weisen auf häusliche Gewalt hin und sind bedruckt mit der Telefonnummer der Seelzer AWO Frauenberatungsstelle zum Abreißen. „Wenn die Plakate an Orten aushängen, wo nur Frauen sind, können sich Betroffene die Telefonnummer unserer Beratungsstelle mitnehmen, ohne dass ihr Partner etwas davon merkt“, sagt Katharina Krüger, AWO Frauenberaterin in Seelze.
Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit sei sehr wichtig, da häusliche Gewalt immer noch ein Tabuthema ist – und sie betreffe alle sozialen Schichten, betont Krüger. Im vergangenen Jahr hat die AWO Koordinierungs- und Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt 118 Frauen kontaktiert, die häusliche Gewalt bei der Polizei angezeigt hatten. In diesem Jahr waren es bisher mehr als 70 Frauen. Zusätzlich hat die Seelzer AWO Frauenberatungsstelle 36 Frauen 2018 und bereits 44 in diesem Jahr beraten. „Häusliche Gewalt ist eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen. Und wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus“, sagt Krüger. In Deutschland werde im Durchschnitt alle zwei bis drei Tage eine Frau durch ihren Ehemann, Lebensgefährten oder Ex-Partner getötet. Tötungsdelikte seien dabei nur die Spitze des Eisbergs häuslicher Gewalt. Das Spektrum reiche von Erniedrigung und Bedrohung durch den Partner, über Isolation und sexualisierte Gewalt bis hin zu gewaltvollen, körperlichen Übergriffen. „Oft findet die Gewalt lange für Außenstehende unentdeckt innerhalb der Familie statt“, sagtKrüger.
Mehr als jede vierte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens Gewalt in einer Beziehung. Häufig ahnten die Frauen am Anfang nicht, dass ihr Partner dazu fähig sein könnte – oftmals handele es sich um einen schleichenden Prozess. „In unserer Beratung höre ich immer wieder, dass die Frauen von sehr liebevollen Männern reden, die ihnen irgendwann verboten, sich mit Freunden und Freundinnen zu treffen. Dann folgen Beleidigungen, Drohungen und Erniedrigungen und/ oder körperliche Gewalt“, erklärt Krüger.
Für die Betroffenen sei es häufig schwer, sich Hilfe zu holen und sie anzunehmen. „Gewalt in der Familie und Beziehung ist immer noch mit großer Scham verbunden. Die Betroffenen geben sich eine Mitschuld an den Taten, obwohl allein die Täter dafür verantwortlich sind. Deshalb sind niedrigschwellige Angebote und eine gute Öffentlichkeitsarbeit so wichtig“, betont Krüger.
Die AWO Frauenberatungsstelle in Seelze berät vertraulich, parteilich, kostenfrei und auf Wunsch auch anonym. Die offene Sprechstunde findet montags von 11 bis 13 Uhr und mittwochs von 15 bis 17 Uhr statt, in Garbsen dienstags von 10 bis 12 Uhr. Termine zu anderen Zeiten können telefonisch unter 01520-9895671 vereinbart werden.
Zum Hintergrund:
Hintergrund des Internationalen Gedenktages ist der Tod dreier Schwestern in der Dominikanischen Republik am 25. November 1960, die wegen ihres politischen Widerstands gefoltert, vergewaltigt und ermordet wurden.