Region Hannover/ Seelze. Nachts, allein, ein dunkler Ort – „plötzlich stellt man sich Gruselsachen vor und es gibt ein unheimliches Gefühl, als würde jemand hinter mir sein. Die Gedanken sind nicht mehr bei mir“: so beschreibt eine Teilnehmerin ihre Gefühle an einem Ort in Seelze, an dem sie sich unwohl gefühlt hat. Wie Frauen die Stadt in der Dunkelheit wahrnehmen, wie sicher oder unsicher sie sich fühlen und wie man Unsicherheit entgegenwirken kann, darum ging es bei den Nightwalks, den nächtlichen Spaziergängen, die die AWO Frauenberatung gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragen Gabriela Giesche und der Lichtkünstlerin Claudia Wissmann organisiert hat. Die Ergebnisse sind ab sofort in Form einer kleinen Ausstellung im Rathaus zu sehen, die gestern (Donnerstag) eröffnet wurde.
Die Ausstellung besteht aus sechs Aufstellern, die für alle sichtbar an den Fensterfronten in dem Teil des Rathauses platziert wurden, die zum Rathausplatz zeigen. Auf jedem Aufsteller ist ein stimmungsvolles Foto mit einer Szene in der Dunkelheit zu sehen. „Als Mädchen haben wir gelernt, Umwege zu gehen“, steht auf einem, „ich freue mich, wenn jemand ein Stück vom Bahnhof mit mir mitläuft“ auf einem anderen. „Viele Frauen haben Angst in der Dunkelheit – wir wollten diese Angst sichtbar machen und Veränderungen anstoßen“, sagt AWO Frauenberaterin Katharina Krüger. Ihr Wunsch: Dass sich auch viele Männer die Ausstellung anschauen. „Natürlich haben auch Männer Angst in der Dunkelheit, aber Frauen fühlen sich machtloser – jede dritte Frau in Deutschland erlebt Gewalt in ihrem Leben“, betont Krüger. Als unsichere Orte empfanden die acht Teilnehmerinnen der Nightwalks die Umgebung des Bahnhofs, die Brücke über die Bahnschienen nach Seelze Süd (Heimstätten Brücke) sowie die Gärten beim Seniorenheim, die Schillerstraße und den Bürgerpark.
Mit Lichtinstallationen brachten Lichtkünstlerin Claudia Wissmann und Theaterpädagogin Viviana Pommeranz Licht ins Dunkel dieser Orte. Ziel des Projekts ist es aus Sicht von Wissmann, dem Gefühl von Unsicherheit im öffentlichen Raum entgegenzutreten. „Wir wollen Frauen das Gefühl der Machtlosigkeit nehmen, indem sie über ihre Ängste sprechen und die Räume anders erleben“, sagt Wissmann, die diese Nightwalks bereits in anderen Städten durchgeführt hat. Schließlich hätten Ängste eine wichtige Schutzfunktion, doch sie können auch unbegründet und manches Mal sogar irrational sein. Teilnehmerin Martina Ebert empfand auch die Heimstätten Brücke als unsicher. Die Notrufsäulen seien kaputt gewesen, hatte sie festgestellt. „Trotzdem haben wir es geschafft, eine andere Energie an diesen und andere Orte zu bringen“, sagte Ebert. Ein Spaziergang fand in Begleitung der Seelzener Stadtplanerinnen statt. Erstes Ergebnis: die defekten Notrufsäulen wurden repariert.
„Mit Aktionen wie den Nightwalks wollen wir die Frauen in Seelze vernetzen, unterstützen und bestärken“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte Gabriela Giesche. Dabei passe die Ausstellung zur anderen Ausstellung, die derzeit am selben Ort gezeigt wird: Die Inhalte und Ziele der UN-Frauenrechtskonvention. „Die Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft ist vielfältig. Aktuelle Themen sind die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die ungleiche Bezahlung, Altersarmut und häusliche Gewalt“, sagte Giesche. Dabei zeigt die Ausstellung nicht nur Probleme auf, sondern auch Partizipationsmöglichkeiten. Die Ausstellungen sind noch bis zum 27. November im Rathaus zu sehen.
Text & Foto: Christian Degener/ AWO