Region Hannover/ Barsinghausen. Sie wird von ihrem Partner psychisch misshandelt: Er beleidigt und erniedrigt sie, Überwachungen und Verbote gehören zu ihrem Alltag. Nach acht Jahren nimmt sie all ihren Mut zusammen und sucht die AWO Frauenberatungsstelle in Barsinghausen auf. Später trennt sie sich von ihrem Partner. „Sie ist eine von 23 Klientinnen, die ich seit der Eröffnung unserer Beratungsstelle im Januar betreut habe“, berichtete AWO Frauenberaterin Anne Vogt den Abgeordneten der SPD-Regionsfraktion, die die Beratungsstelle gestern besuchten. Die SPD-Politikerinnen- und politiker, die der Sozial-AG und der Gleichstellungs-AG angehören, sind derzeit in der Region Hannover unterwegs und schauen sich verschiedene Einrichtungen an.
„Für unsere politische Arbeit ist es wichtig, dass wir aus erster Hand erfahren, welche Probleme insbesondere im Bereich der häuslichen und sexualisierten Gewalt vorherrschen und welche Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Vor allem wollen wir aber auch herausfinden, wo wir als politische Vertreter/innen konkret helfen können“, sagte Cornelia Busch, Sprecherin der AG Gleichstellung der SPD-Regionsfraktion. Die Eröffnung der AWO Beratungsstelle in Barsinghausen vor rund einem Dreivierteljahr ist Teil des flächendeckenden Frauenberatungsstellenkonzeptes der Region Hannover, das eine verlässliche Versorgung für Beratungsanliegen von Frauen als Ziel hat. „In den ersten beiden Monaten kamen viele Frauen zu mir, doch dann kam Corona und es wurde ruhig“, berichtete Vogt. Telefonische Beratungen seien in dieser Zeit schwierig gewesen. „Die Gefahr, dass der Partner mithört, schreckt die Frauen zurecht ab“, betonte Vogt. Seit der Aufhebung des Lockdowns nehme der Beratungsbedarf wieder zu.
Dabei spiegele die Zahl der Beratungen den tatsächlichen Beratungsbedarf in Barsinghausen und Umgebung nicht wider – er sei viel höher. Laut Studien erlebt jede dritte Frau in ihrem Leben Gewalt, erklärte Ute Vesper, Fachbereichsleiterin Frauen bei der AWO Region Hannover. „Die Dunkelziffer ist noch viel höher – und es dauert lange, bis sich die betroffenen Frauen Hilfe holen.“ Deshalb müsse es mehr Öffentlichkeitsarbeit geben, sagte Busch. Vesper und die Politiker betonten die gute Lage der AWO Beratungsstelle mitten in der Fußgängerzone – dadurch sei sie einfach zu erreichen und werde wahrgenommen. Dennoch hat Vesper einen Wunsch an die Politik: In die Förderung des Landes Niedersachsen aufgenommen zu werden, damit die Zahl der Stunden von jetzt einer halben Stelle aufgestockt werden könne. „Ich nehme das auf“, sagte Claudia Schüßler, die für Barsinghausen, Gehrden und Seelze zuständige SPD-Landtagsabgeordnete, die die Regionspolitiker begleitete.
Trennung, Scheidung und psychische Gewalt seien die vorwiegenden Beweggründe, warum Frauen die AWO Beratungsstelle aufsuchen. „Das Alter der Frauen beträgt zwischen 22 und 40 und zwischen 50 und 80 Jahren“, berichtete Vogt. Ein Teil der Frauen trenne sich erst von ihrem Partner, wenn die Kinder aus dem Haus sind. „Zu mir kommen aber auch ältere Frauen, die eine Krise haben“, so Vogt. Die Frauen seien sehr aufgeregt beim ersten Besuch der Beratungsstelle. „Meine erste Aufgabe ist es, ihnen diese Aufregung zu nehmen.“ Wenn sich während der Beratungen herausstellt, dass die Frauen multiple Probleme haben und beispielsweise eine Therapie brauchen, vermittelt Vogt sie an die geeigneten Stellen weiter.
Die AWO Frauenberatung bietet künftig auch einmal pro Monat eine Rechtsberatung an, die eine Anwältin für Familienrecht durchführt, kündigte Vogt an Eine solche Beratung sei beispielsweise für Frauen wichtig, die sich nach einer Trennung oder Scheidung zivilrechtlich informieren wollen.