Region Hannover. „Das trägt ein Junge nicht“, „Damit spielen Mädchen nicht!“: Sätze wie diese haben vermutlich alle schon einmal gehört. Was zunächst harmlos klingt, kann für die Betroffenen jedoch Folgen haben: Sie können in der Entwicklung ihrer Identität und Entfaltung ihrer Möglichkeiten gestört werden. Damit sich Mädchen und Jungen frei entfalten können, braucht es geschlechtersensible Pädagogik in der frühkindlichen Bildung – für die AWO Kitas steht jetzt ein Materialkoffer mit Büchern und Lernmaterialen zur Verfügung, um die pädagogischen Fachkräfte bei diesem Thema zu unterstützen. „Wir sind der erste Kita-Träger in der Region Hannover, der umfangreiches Material für die Mitarbeitenden bereitstellt. Die geschlechtersensible Pädagogik gehört zur AWO Norm und unserem Qualitätsmanagement“, betont Heike Rahlves, stellvertretende Leiterin des AWO Fachbereichs Tageseinrichtungen für Kinder.
Jungen und Mädchen seien bereits sehr früh bestimmten Rollenmustern unterworfen sind. So habe auch das so genannte Gendermarketing in der Spielzeugindustrie In den vergangenen Jahren habe das stark zugenommen – die Werbung und der Verkauf von Produkten, die jeweils nur auf ein Geschlecht abzielen. „An Mädchen werden Prinzessinnen-Puppen vermarktet, die Jungen sollen Autos oder Baukästen konsumieren. Das ist falsch – Kinder müssen wählen können, was und womit sie spielen und wie sie ihre eigene Identität füllen“, erklärt Rahlves. Die frühe Zuschreibung von Geschlechterklischees könne zur Folge haben, dass sich die Jungen und Mädchen schlechter entwickeln bzw. hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. So hätten US-Studien mit fünf- und sechsjährigen Mädchen gezeigt, dass sie sich weniger zutrauen und sich in bestimmten Bereichen schlechter entwickeln als gleichaltrige Jungen, wenn ihnen frühzeitig eingeredet wird, dass sie bestimmte Dinge schlechter können, berichtet Rahlves. „Wir wollen, dass sich die Kinder in unseren Einrichtungen frei und bestmöglich entwickeln können – ohne Geschlechterstereotypen“, betont Rahlves.
Pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätten seien deshalb ständig herausgefordert, die Lebenslagen von Mädchen und Jungen geschlechtssensibel zu berücksichtigen. Rollenbilder, geschlechterbezogene Erwartungen und Vorgaben anderer infrage zu stellen und mit Kindern zu thematisieren, ist zudem in den Bildungs- und Lehrplänen der Bundesländer festgeschrieben. Bereits im vergangenen Jahr hatte die AWO Region Hannover einen Workshop mit 200 Teilnehmenden zu diesem Thema organisiert, bei dem Almut Schnerring und Sascha Verlan unter dem Motto „Die Rosa-Hellblau-Falle – für eine Kindheit ohne Rollenklischees“ referierten. Die beiden Fachleute haben auch den Koffer mit Materialien im Wert von 1000 Euro zusammengestellt. Darin enthalten sind neben Fachliteratur für die Erzieherinnen und Erzieher auch Bücher für die Kinder. „Ein Mann, der weint“ heißt eines, das sich mit dem Klischee auseinandersetzt, dass Männer immer stark sein müssen. „Du gehörst (nicht) dazu“ heißt ein anderes, in dem es um das Thema Mobbing aufgrund von Anderssein geht. „Das sind spannende Geschichten für Kinder, die zum Nachregen anregen“, sagt Rahlves. Mit im Koffer: eine Stofftier-Schnecke – Schnecken sind keinem Geschlecht zuordenbar.