Region Hannover/ Hannover. Mit der HAZ-Weihnachtshilfe werden jedes Jahr mehr als 2600 Menschen in der Region Hannover unterstützt. Rund 1,9 Millionen Euro Spendengelder sind vergangenes Jahr bei der Aktion zusammengekommen. Die Gelder werden nach Prüfung durch den Fachbereich Soziales der Landeshauptstadt Hannover (LHH) meist für Möbel, Haushaltsgeräte und Kleidung vergeben. Die AWO Region Hannover beteiligt sich an der Aktion und stellt für notleidende Menschen Anträge auf Zuwendung – eine zusätzliche Aufgabe, die die Mitarbeitenden in Zeiten fehlender Fachkräfte an ihre Kapazitätsgrenzen bringt. Im Interview sagt AWO Fachbereichsleiter Adalbert Mauerhof, wie das in der Praxis aussieht.
Wer bekommt die Weihnachtshilfe?
Adalbert Mauerhof: Weihnachtshilfe können Menschen bekommen, die sich in besonderen finanziellen Notlagen befinden. Zum Beispiel nach Schicksalsschlägen, wenn der Mann verstorben ist und die Frau mit drei Kindern alleine dasteht oder auch nach schweren Erkrankungen. In der Regel wenden sich Menschen an uns, die Transferleistungen, wie zum Beispiel Hartz IV, bekommen – oder sie liegen so knapp darüber, dass die finanzielle Lage es ihnen nicht möglich macht, besondere Notlagen zu lindern. Das kann eine kaputte Waschmaschine sein, die neu zwischen 350 und 400 Euro kostet, oder jemand hat Rückenprobleme und braucht dringend eine neue Matratze, ein anderer muss sich nach einer Trennung oder Scheidung eine neue Wohnung suchen und die Kinder benötigen dringend ein neues Kinderbett. Es gibt viele Beispiele. Aufgrund ihrer knappen finanziellen Situation sind viele Menschen nicht in der Lage, Geld für solche Notlagen zurückzulegen.
Gibt es eine einmalige Summe oder auch eine fortlaufende Unterstützung?
Adalbert Mauerhof: Es ist immer eine einmalige Summe, die sich auf circa 250 bis 500 Euro beläuft. Das kann aber auch mal ein bisschen mehr sein – da halten wir dann Rücksprache mit dem Fachbereich Soziales.
Wie erreichen Sie die Bedürftigen beziehungsweise kommen die Menschen selber zur AWO?
Adalbert Mauerhof: Wir helfen unserer eigenen Klientel, also denjenigen, die schon die Hilfe und Unterstützung durch die AWO in unseren Beratungsstellen in Anspruch nehmen. Wenn darunter Menschen sind, die sich in Notsituationen befinden, stellen wir in der Regel auch die Weihnachtshilfe für sie.
Aber auch Hilfebedürftige, die von außen kommen, wenden sich an uns. Sie haben unsere zentrale Telefonnummer zum Beispiel von der HAZ erhalten. Die Anfragen dazu steuern wir bei uns zentral. Wir haben eine Liste von Kolleg*innen, die bereit sind über ihre Arbeit hinaus, diese Menschen zu beraten und geben dann die Nummer an die Hilfesuchenden weiter. Die Regelung bei uns ist, dass an die zur Verfügung stehenden Beratungskräfte zusätzlich ihrer eigenen Klient*innen jeweils zwei Weihnachtshilfesuchende vermittelt werden. Aufgrund der knappen personellen und zeitlichen Kapazitäten müssen wir unsere Hilfeleistung leider einschränken. Beraten werden Alleinstehende ohne Kinder bis zur Rente. Familien und Alleinerziehende können sich an den Kommunalen Sozialdienst und Senior*innen im Rentenalter an den Kommunalen Seniorenservice wenden. Auch das Jobcenter kann Anträge für Bedürftige stellen.
Manche kommen auch spontan vorbei. Es spricht sich herum – geht mal zur AWO, die sind nett, die helfen dir. So entsteht ein vermehrtes Auflaufen von Weihnachtshilfeanträgen. Irgendwann ist dann die Arbeitsbelastung so groß, dass es nicht mehr geht.
Sie selber stehen als Berater für die Weihnachtshilfe zur Verfügung. Wer ist von der AWO noch dabei?
Adalbert Mauerhof: Das sind Kolleg*innen aus der Familienberatungsstelle, dem Beratungszentrum für Integrations- und Migrationsfragen, dem Ambulant Betreuten Wohnen, der Familienbildung, dem Carré Spierenweg, der Frauenberatung und der Interkulturellen Seniorenarbeit. Insgesamt stellen wir jedes Jahr circa 200 bis 250 Anträge.
Wie sieht das Procedere aus?
Adalbert Mauerhof: Jede*r Sozialarbeiter*in muss sich erst einmal ein Bild über die Notlage machen. Dazu wird ein Termin mit dem Bedürftigen vereinbart, in dem die finanzielle Situation überprüft und die Schuldenlage abgeklärt wird – also, wie hoch die Einkünfte sind, ob zum Beispiel schon eine Privatinsolvenz besteht oder Ratenzahlungen laufen. Haben die Berater*innen den Eindruck, dass eine Notlage vorliegt, entscheiden sie über die Summe und den Gegenstand. Der Betroffene muss sich natürlich äußern und sagen, was er oder sie benötigt. Manchmal sind das auch Weihnachtskleidung oder Geschenke für die Kinder, für die einfach kein Geld mehr vorhanden ist oder auch eine Brille. Wenn ich als Berater den Eindruck habe, das stimmt so, dann stelle ich den Antrag mit der Darstellung der Notlage an den Fachbereich Soziales. Das muss schriftlich auf einer halben DINA4-Seite erklärt werden.
Welche Aufgabe hat der Fachbereich Soziales dabei?
Adalbert Mauerhof: Der Fachbereich Soziales der LHH hat zwei Stellen für die Weihnachtshilfe eingerichtet, in der überprüft wird, ob der Hilfebedürftige im letzten Jahr schon einen Antrag gestellt hat – es besteht nur alle zwei Jahre Anspruch auf Weihnachtshilfe – und ob jemand vielleicht gesperrt ist. Beispielsweise, wenn jemand Geld für den Kauf einer Waschmaschine auf sein Konto bekommen hat, muss er innerhalb von zwei bis drei Monaten die Quittung einreichen und nachweisen, dass er das Geld ordnungsgemäß verwendet hat. Kann er das nicht, bekommt er für drei oder fünf Jahre eine Sperre. Das heißt, er darf für diesen Zeitraum keine Weihnachtshilfe mehr beantragen. Natürlich gibt es auch hier schwarze Schafe, die stellen einen Antrag bei der Caritas, einen zweiten bei der AWO und dann noch einmal bei der Diakonie. Das fällt in dem Moment auf, wenn der Fachbereich Soziales die Anträge prüft.
Wie hoch ist der Arbeitsaufwand für die Berater*innen?
Adalbert Mauerhof: Für das Gespräch brauche ich circa eine dreiviertel Stunde, für das Ausfüllen des Antrages und die Beschreibung der Notlage noch einmal eine halbe Stunde. Dann kommt die Antwort zurück vom Sozialamt, dass das Geld überwiesen worden ist. Dann warte ich auf die Quittung. Wenn diese nicht kommt, erinnere ich daran. Wenn die Quittung kommt, klebe ich sie auf und gebe die Rückmeldung an den Fachbereich Soziales. Das sind circa anderthalb Stunden pro Fall.
Da geraten wir als Berater schnell an unsere Grenzen und manchmal auch darüber hinaus – die Anträge zur Weihnachtshilfe werden ja zusätzlich von uns gestellt.
Was heißt das für die AWO, für die Berater*innen, wenn sie keine Kapazitäten haben und Menschen vielleicht abweisen müssen?
Adalbert Mauerhof: Die Anfragen sind gestiegen. Daher müssen wir leider auch mehr Menschen absagen. Das geht auch den anderen Verbänden so. Die Diakonie zum Beispiel nimmt keine externen Fälle mehr an, sondern versorgt nur ihre eigene Klientel. Wir bekommen deutlich mit, wie verzweifelt die Hilfesuchenden manchmal sind, bei der Suche, an wen sie sich wenden können und hören müssen, dass es keine Kapazitäten mehr für sie gibt.
Der Frust insgesamt wird größer – bei den Hilfesuchenden und auch bei den Kolleg*innen, die für die Beratung zur Verfügung stehen. Sozialarbeiter*in ist ja eigentlich ein Beruf, den man erwählt, um Menschen zu unterstützen und zu helfen und aus sozialen Notlagen zu befreien. Und dann zu sagen, tut mir leid, es geht nicht – das kann schon sehr belastend sein.
Müsste sich an dem Procedere etwas ändern?
Adalbert Mauerhof: Die Antragsstellung für die Weihnachtshilfe ist eine freiwillige Leistung der Wohlfahrtsverbände. Es gibt keine Gegenfinanzierung. Die HAZ sammelt Spendengelder ein und stellt es der Stadt zur Verfügung, die die Verteilung gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden organisiert. Wir machen das gerne, aber irgendwann ist unsere Kapazitätsgrenze erreicht.
Eine Möglichkeit wäre, zum Beispiel zwei Stellen zu schaffen, die diese Fälle vor Weihnachten bearbeiten. Das kann sowohl bei den Wohlfahrtsverbänden sein, oder auch bei der Stadt. Dann hätten wir mit den zusätzlichen Fällen nichts mehr zu tun und stellen nur für unsere eigenen Klient*innen die Anträge.
Die Weihnachtshilfe ist eine gute Aktion, die Menschen ohne finanzielle Mittel, unterstützt. Wir wollen nicht darauf verzichten, aber wir wünschen uns eine gerechte Verteilung des Arbeitsaufkommens.
Interview/Foto: Gaby Kujawa/AWO