Region Hannover/ Hannover-Linden. Einen Moment lang hält Shola John inne und schaut auf das Wasser in der AWO Welle, dem Schwimmbad der AWO Region Hannover in Linden-Nord. „Los geht’s“, sagt er dann, steigt in das Becken, gleitet sanft in das warme Wasser und fängt an, langsam zu schwimmen. Was routiniert aussieht und für die meisten Menschen in Deutschland normal ist, ist für John noch etwas neues und gewöhnungsbedürftiges: Gemeinsam mit 14 weiteren Männern mit Migrationsgeschichte lernt er erst jetzt im Erwachsenenalter schwimmen. „Ich fühle mich schon sehr wohl im Wasser“, sagt er. John ist vor 20 Jahren aus Nigeria nach Deutschland gekommen – in seinem Geburtsland sei schwimmen immer als etwas gefährliches vermittelt worden. „Meine Kinder haben hier in Deutschland schwimmen gelernt und ich hole das jetzt nach.“
Neben John schwimmt Halem Al Ahmed, der vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland geflüchtet ist. Konzentriert zieht er seine Bahnen – man merkt kaum, dass es erst der siebte Übungstag für ihn und die anderen Männer ist. „Sie lernen so schnell, das ist einfach toll“, berichtet Kursleiter Sharam Khosravi. Alle Teilnehmer seien hochmotiviert und es mache ihm sehr viel Spaß. Die Schwimmkurse werden von der Ricarda und Udo Niedergerke Stiftung aus Hannover gefördert. Bereits zum wiederholten Male finanziert die Stiftung diese Angebote für Menschen mit Migrationsbiografie. “Schwimmen zu können ist eine wichtige Fähigkeit – noch immer ertrinken auch in Deutschland jährlich viele Menschen, weil sie es nicht gelernt haben. Der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund unter ihnen ist groß“, sagt Udo Niedergerke.
Er weist darauf hin, dass das Land Schwimmkurse für Kinder gestrichen hat, die während Corona finanziert wurden. „Hier springen wir jetzt ein“, betont Niedergerke. Die Kinder im Alter von 5 bis 13 Jahren kommen aus dem Stadtgebiet Hannover und haben ebenfalls alle eine Migrationsgeschichte. „Sie können nicht schwimmen, weil Ihre Eltern es nicht können und sie deshalb mit ihnen auch nicht schwimmen gehen“, erläutert Beate Kopmann von der AWO Familienbildung. Die Stiftung fördert die Kurse mit rund 5700 Euro – von dem Geld werden auch Hilfsmittel wie Schwimmgurte, -bretter und -brillen gekauft. Einen weiteren Kurs gibt es für Frauen. Unter ihnen sind einige, die Sprach- und Integrationskurse bei der AWO Region Hannover absolviert haben. Für die Frauen sind diese Angebote besonders attraktiv, weil die AWO Welle kein öffentliches Schwimmbad ist und sie unter sich bleiben und in einem geschützten Rahmen lernen können. „Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern gibt es Teilnehmende, die Kinder haben und Schwimmen lernen möchten, damit sie mit Ihren Kindern gefahrlos ins Wasser gehen können“, erklärt Kopmann
Der Bedarf sei groß. „Leider konnten wir nicht alle berücksichtigen und wir haben eine lange Warteliste für eventuelle Folgekurse“, so Kopmann. Shola John ist froh, dass er einen Platz bekommen hat. „Ich bin sehr dankbar für diese einmalige Gelegenheit“, sagt er.
Zum Hintergrund: Die von der Bürgerstiftung verwaltete Ricarda und Udo Niedergerke hat in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Schwimmkurse für Kinder mit Migrationsgeschichte finanziell gefördert.
Fotos & Text: Christian Degener/AWO