Region Hannover/ Sehnde. Auf dem Auto kleben viele handschriftlich beschriebene Zettel. „Wussten Sie schon? Frauen sind überproportional oft betroffen von digitaler Gewalt“, steht auf einem. „50 Prozent der Frauen, die Online Gewalt erlebt haben, fühlen sich danach in ihrer eigenen Sicherheit bedroht“, ist auf einem anderen zu lesen. Das Auto, das heute auf dem Marktplatz vor dem Sehnder Rathaus stand, zog viele interessierte Blicke auf sich. Aufgestellt hatte es der Arbeitskreis häusliche Gewalt des Präventionsrates der Stadt Sehnde, um auf das Thema digitale Gewalt aufmerksam zu machen. Zu dem Arbeitskreis gehört auch die AWO Frauenberatungsstelle. „Digitale Gewalt bleibt in vielen Fällen unsichtbar.“, sagte Sehndes Gleichstellungsbeauftragte Jennifer Glandorf. Frauen, die von dieser Form der Gewalt betroffen sind, erleben auch andere Gewalt, berichtete AWO Frauenberaterin Franziska Albers. „Digitale Gewalt geht häufig einher mit analoger Gewalt.“
Sie sei ein Sammelbegriff für verschiedene Formen geschlechtsspezifischer Gewalthandlungen, die sich technischer Hilfsmittel und digitaler Medien (Apps, Handy, Mails, Internetanwendungen etc.) bedienen und Gewalt, die im digitalen Raum wie Online-Portalen oder sozialen Plattformen stattfindet. „Jede dritte Frau hat in ihrem Leben mindestens einmal gewalttätige Übergriffe erlebt, egal ob digital oder analog“, so Albers. Durch die Anonymität im Internet fühlen sich viele Täter*innen sicher. Cyber-Mobbing, Stalking in sozialen Netzwerken und heimliche Aufnahmen – dies passiere in den allermeisten Fällen Frauen.
Die zunehmende Digitalisierung vieler Lebensbereiche bringe es mit sich, dass auch Gewalt gegen Frauen neue Wege findet. Ob sexistische, beleidigende, frauenfeindliche oder bedrohende Kommentare – für viele Frauen und jugendliche Mädchen seien sie inzwischen Teil ihres Online-Alltags. „In den unterschiedlichen Beratungskontexten merken wir, dass das Thema digitale Gewalt zunimmt. Daher ist es uns ein großes Anliegen auf diese Thematik aufmerksam zu machen“, sagen die Mitglieder des Arbeitskreises gegen häusliche Gewalt.
Offizielle Fallzahlen gibt es bisher nicht. In der Kriminalstatistik werden zwar Straftatbestände wie Beleidigung oder üble Nachrede erfasst – nicht aber, ob digitale Medien dabei eine Rolle gespielt haben. Es sei aber davon auszugehen, dass sich digitale Gewalt zunehmend ausbreitet. Die Europäische Grundrechtsagentur hat herausgefunden, dass jede zehnte Frau ab 15 Jahren digitale Gewalt erfahren hat. An dem Auto auf dem Sehnder Marktplatz waren auch Zettel mit QR-Codes angebracht, die direkt zu Beratungs- und Unterstützungsstellen führen.
Beratungs- und Unterstützungsstellen:
Bundesweites Hilfetelefon: 0800 011 60 16
AWO- Frauenberatungsstelle für Burgdorf, Lehrte, Sehnde und Uetze mit Sprechstunden in Sehnde: 05132 82 34 34
Polizei: 110
Weitere Infos gibt es hier:
https://staerker-als-gewalt.de/gewalt-erkennen/digitale-gewalt-erkennen
https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/aktionen-themen/bff-aktiv-gegen-digitale-gewalt.html
Zum Hintergrund:
Der Arbeitskreis häusliche Gewalt in Sehnde setzt sich zusammen aus: AWO Frauenberatungsstelle, AWO Frauenhaus, Polizeistation Sehnde, KGS Sehnde, Flüchtlingshilfeverein Sehnde e.V., European Homecare, Region Hannover FB Jugend, Ehrenamtlich Aktive, Gleichstellungsbeauftragte Stadt Sehnde.
Text: Christian Degener/AWO & Jennifer Glandorf/Stadt Sehnde, Foto Christian Degener/AWO