Hannover/Sehnde. Die AWO Frauenberatungsstelle in Burgdorf, Lehrte, Sehnde und Uetze ist ab sofort auch vor Ort im Sehnder Rathaus zu erreichen. Ermöglicht wird dies durch eine dauerhafte finanzielle Unterstützung durch die Region Hannover und eine Erhöhung der Mittel der Stadt Sehnde. Zuvor mussten Sehnderinnen zur Beratung nach Lehrte fahren, künftig ist AWO Beraterin Franziska Albers oder stellvertretend Brigitte Mende an zwei Tagen pro Woche im Rathaus: Montags von 8.30 bis 12.30 Uhr und mittwochs von 8.30 bis 16.30 Uhr. Beraten wird im Raum 007, wo auch die Energie- und andere Beratungsangebote untergebracht sind. „Wer also die Frauenberatung aufsucht, kann das hier im Rathaus ohne große Aufmerksamkeit zu erregen tun – das senkt die Hemmschwelle“, sagte Sehndes Bürgermeister Olaf Kruse (SPD) heute bei einem Pressegespräch im Rathaus.
„An uns können sich Frauen in jeder Krisensituation und bei Beratungsbedarf wenden“, betonte Albers. Der Schritt, eine Beratungsstelle zu kontaktieren, sei mitunter eine große Überwindung für die Betroffenen – deshalb müsse das Angebot so niedrigschwellig wie möglich sein, betonte Ute Vesper, Leiterin des Fachbereichs Frauen bei der AWO Region Hannover. Das bestätigten auch Mende und Albers aus ihrer täglichen Arbeit. „Die betroffenen Frauen nehmen oft ihren ganzen Mut zusammen, wenn sie sich Hilfe suchen. Erreichen sie beim ersten Mal niemanden, haben sie oft keine Kraft für einen zweiten Anlauf“, sagte Mende. Niedrigschwellig bedeute auch, dass das Angebot wohnortnah ist. „Die Fahrt von Sehnde nach Lehrte kann bereits eine zu große Hürde sein.“
„Man kann nicht oft genug betonen, dass häusliche Gewalt jede Frau treffen kann – Frauen allen Alters und aller sozialen Schichten“, sagte Dr. Silke Lesemann, Vorsitzende der AWO Region Hannover und örtliche SPD-Landtagsabgeordnete. Der Ausbau des Beratungsangebotes in der Fläche sei wichtig, der Bedarf vorhanden. Die AWO Beratungsstelle Ostkreis – Lehrte, Burgdorf, Uetze und Sehne – hat im vergangenen Jahr rund 140 Frauen beraten, 40 von ihnen wurden nach einer Anzeige bei der Polizei an die Beratungsstelle verwiesen. Auch in diesem Jahr ist die Zahl der Fälle nicht gesunken – sie sei weiterhin konstant hoch, berichtete Mende.
Häusliche Gewalt ist eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen: Mehr als jede vierte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens Gewalt in einer Beziehung. „Und wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus“, sagte Vesper. Für die Betroffenen sei es häufig schwer, sich Hilfe zu holen und sie anzunehmen. „Gewalt in der Familie und Beziehung ist immer noch mit großer Scham verbunden. Die Betroffenen geben sich eine Mitschuld an den Taten, obwohl allein die Täter dafür verantwortlich sind“, so Vesper.
Häusliche Gewalt umfasse körperliche, sexualisierte und psychische Gewalt. Zu den neueren Phänomenen gehört laut Mende beispielsweise das digitale Stalking mit Hilfe von Spyware auf dem Handy. „So können Männer ihre Frauen noch effizienter überwachen – so wird Beziehung zu einem regelrechten Gefängnis“, sagte Mende. Beschimpfungen und Herabsetzungen seien gängige Mittel von gewalttätigen Männern, um das Selbstvertrauen ihrer Partnerinnen zu zerstören. „Als ich selbst noch beraten habe, kam eine Frau zu mir, die berichtete, wie sie vor ihrem Mann auf dem Boden kriechen musste – die große Angst, die Frauen wie diese vor ihren Partnern hatten, werde ich nie vergessen“, sagte Vesper. Aufgabe der Beraterinnen sei es, die Frauen in ihrem Selbstvertrauen zu stärken, damit sie künftig ein gewaltfreies Leben führen können.
Frauenschutz ist auch Kinderschutz, betonte Mende. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Mütter und ihre Kinder der Gewalt entkommen können.“ Da häusliche Gewalt immer noch ein Tabuthema sei, brauche es auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit. „Auch die Netzwerkarbeit und Präventionsarbeit kann nun ausgebaut werden“, freute sich Sehndes Gleichstellungsbeauftragte Jennifer Glandorf. Um dieses Beratungsangebot zu ermöglichen, hat die Region Hannover die Mittel für die AWO Beratungsstelle Ostkreis insgesamt von 42.000 auf 95.000 Euro aufgestockt und die Stadt Sehnde hat die Mittel von 3600 auf 18.000 Euro jährlich angehoben. „Ich freue mich, dass der Sehnder Rat das ohne Murren und Knurren gemacht hat“, betonte Kruse.