Region Hannover. Frauen und Mädchen werden häufig Opfer von Gewalt – nicht nur im realen Leben, sondern auch in der digitalen Welt. Da digitale Medien wie soziale Netzwerke und Nachrichtendienste weiter an Bedeutung gewinnen, nehmen auch die Fälle von digitaler Gewalt zu, was auch die AWO Frauenberatungsstellen in der Region Hannover in den vergangen Jahren verstärkt registrieren. „Um den Fachbereich Frauen der AWO zu diesem Thema zu stärken, haben wir alle Mitarbeiterinnen zu einer Weiterbildung zu dem Thema eingeladen“, berichtet Diana Jäger, stellvertretende Fachbereichleiterin. Ziel sei es, Betroffene noch besser über die verschiedenen Facetten digitaler Gewalt zu informieren und ihnen Schutzmöglichkeiten aufzeigen zu können. „Digitale Gewalt geht meist Hand in Hand mit analoger Gewalt oder ist deren Fortsetzung mit technischen Mitteln“, erklärt AWO Frauenberaterin Katharina Krüger, die die Fortbildung mit geleitet hat.
Laut aktuellen Statistiken wird jede dritte Frau in ihrem Leben Opfer von Gewalt. Mehr als 80 Prozent der Gewalt geht dabei von Männern aus – im realen Leben wie auch in der digitalen Welt. Cyberstalking und Cybermobbing sind die am weitesten verbreiteten Phänomene digitaler Gewalt. „Stalking ist heutzutage sehr einfach – durch das Handy sind wir leicht erreichbar. Mussten Täter ihre Opfer früher physisch verfolgen, können sie ihr bedrohliches Verhalten heute zu jeder Zeit über Anrufe und Nachrichten fortsetzen – rund um die Uhr“, sagt Krüger. In ihrer Beratungsstelle habe sie eine Klientin gehabt, die an einem Tag mehr als 1000 Mal auf ihrem Handy angerufen wurde – von ihrem Ex-Partner, der ihre Trennung nicht akzeptieren konnte. Manche Frauen bleibe nichts anderes übrig, als die Telefonnummer zu wechseln und zu hoffen, dass der Partner oder Ex-Partner keinen Zugang zur neuen Nummer bekommt.
Auch die Sozialen Netzwerke und die damit verbundenen Nachrichtendienste (Messenger) werden von den Tätern häufig genutzt. „Hier ist die Erreichbarkeit ebenfalls hoch – und die Opfer müssen dafür sorgen, dass sie von den Tätern nicht mehr erreicht werden können“, betont Krüger. Doch oftmals griffen die Täter dann zu Fake-Profilen und versuchten es erneut. Auch das Cyber-Mobbing hat in den vergangenen Jahren zugenommen – die verschiedenen Formen haben mittlerweile eigene Bezeichnungen bekommen. Zum Beispiel versteht man unter Doxing das Sammeln und Veröffentlichen von privaten Infos oder Dokumenten über eine Person im Internet und unter Sextortion das Versenden von im Vertrauen verschickter Bilder oder Videos mit sexuellen Inhalten, die dann zur Erpressung der abgebildeten Person genutzt werden. „Das sind zwei Beispiele, die beide eine Straftat sind“, so Krüger. Auch Belästigungen seien psychische Gewalt und Straftaten – wenn ein Mann beispielsweise unaufgefordert Nelfies (Nacktbilder) oder Dickpics (Penisbilder) verschickt. „Die Opfer werden dadurch eingeschüchtert und haben Angst.“ Vermehrt werde ihr auch vom sogenannten Upskirting berichtet: Täter machen heimlich Fotos, die den Blick unter den Rock oder unter das Kleid einer Frau zeigen.
Ein weiteres Phänomen sei die Verwendung technischer Mittel zur Kontrolle. „Die Männer wollen zum Beispiel die Nachrichten ihrer Partnerin lesen oder ihre Bankgeschäfte kontrollieren und verschaffen sich dafür die benötigten Passwörter für das Handy und die Accounts“, berichtet Krüger. Auch wenn das Stichwort digital gern mit jüngeren Menschen verbunden werde, seien bei digitaler Gewalt, wie auch bei analoger Gewalt, alle Frauen betroffen – unabhängig von Alter, Herkunft oder sozialer Stellung. Digitale Gewalt sei real erlebte Gewalt. „In den AWO Beratungsstellen wollen wir den Frauen Mut machen und sie bestärken, diese Formen der Gewalt zu benennen, und ihnen Schutzmöglichkeiten aufzeigen“, so Krüger.
Von Gewalt betroffene Frauen können sich an die Beratungsstellen der AWO Region Hannover wenden. Die Beratung erfolgt kostenlos, vertraulich, parteilich und auf Wunsch anonym. Hier geht es zu den Beratungsstellen: https://www.awo-hannover.de/unsere-angebote/beratung-betreuung/hilfe-fuer-frauen/
Text & Foto: Christian Degener/AWO