Region Hannover/ Ronnenberg. Die Wahl des geeigneten (Ausbildungs-)Berufs ist für viele Schülerinnen und Schülern eine schwere Wahl. Nach der getroffenen Entscheidung stehen die nächsten Hürden an: die Wahl der Betriebe, Bewerbungen, Vorstellungsgespräche. Genau da setzt die Arbeit von Gabriela Gerke, Ausbildungslotsin der AWO Region Hannover an der KGS Ronnenberg, ein. „Alle Schülerinnen und Schüler, die eine Ausbildung machen wollen, sollen einen Ausbildungsplatz finden können – das ist mein Ziel“, sagt Gerke. Die 59-Jährige arbeitet seit sechs Jahren an der Ronnenberger Schule und betreut insgesamt mehr als 720 Kinder der Jahrgänge acht bis zehn in allen Schulzweigen. „Ich bin aber keine Berufsberaterin“, betont sie. Die Schule wird von zwei Berufsberaterinnen der Arbeitsagentur betreut, mit denen Gerke eng zusammenarbeitet. – Gerke hilft den Schülerinnen und Schülern, ihre Berufswahl umzusetzen. „Sie sind die Kapitäne, ich bin die Lotsin“, sagt Gerke über ihre Rolle.
Die Corona-Pandemie erschwere ihre Arbeit – seit einem Jahr arbeitet sie zeitweise von ihrem Zuhause in der Region Hannover aus, was Grenzen habe. „Meine Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern basiert auf persönlicher Bindung und Vertrauen – das lässt sich nicht gut per Videokonferenz herstellen, dafür braucht es auch persönliche Kontakte.“ Und auch sonst hat Corona für Einschränkungen in ihrer Arbeit gesorgt. Normalerweise hätte sie auch in diesem Jahr längst mit ihren Schülern Ausflüge zu Jobmessen unternommen – orientieren müssen sie sich jetzt digital auf Internetplattformen.
Fester Bestandteil ihrer Home-Office-Arbeit sind offene Online- und Telefon-Sprechstunden, in denen sie Fragen beantwortet, Termine vereinbart, mit den Schülerinnen und Schülern die nächsten Schritte plant und beim Schreiben von Bewerbungen hilft. Außerdem schreibt sie die Schüler regelmäßig an und versorgt sie mit Angeboten zur Berufsorientierung. In der neunten Klasse des Realschulzweiges steht Profilunterricht auf dem Stundenplan – hier entscheiden sie sich für unterschiedliche Bereiche: die angewählte Fremdsprache, Technik, Gesundheit & Soziales oder Wirtschaft. Je nach Schulzweig müssen die Schülerinnen und Schüler mindestens zwei Praktika absolvieren. „Sie sind wichtig bei der Berufsorientierung: Hier sammeln sie praktische Erfahrungen und testen, ob ihnen der angestrebte Beruf auch wirklich gefällt“, so Gerke.
Steht der Berufswunsch fest, hilft sie beim Heraussuchen von Stellenanzeigen und beim Schreiben der Bewerbungen. „Es ist wichtig, genau hinzusehen, ob die Voraussetzungen passen“, betont die Lotsin. Wer beispielsweise Dachdecker werden wolle, brauche gute Mathe-Noten. „Aber auch ohne ist das Berufsziel zu erreichen – wenn man hoch motiviert ist und das in der Bewerbung und im Vorstellungsgespräch vermitteln kann, sehen manche Firmen über die eine oder andere Note hinweg.“ Auch die Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche sei ein wichtiger Teil ihres Jobs. „Hier geht es natürlich um die inhaltliche Vorbereitung, aber auch darum, den Schülern die Nervosität und Angst zu nehmen – und manchmal auch um Stylingtipps.“
Wichtig sei in ihrem Job neben dem Vertrauen auch Erreichbarkeit. Die Schülerinnen und Schüler, Erziehungsberechtigte und Lehrer können sie tagsüber jederzeit kontaktieren, per Mail, Telefon oder Videokonferenz – unabhängig von den Unterrichtszeiten. „Mein Angebot ist niedrigschwellig – es muss leicht sein, mich zu kontaktieren, um eine Beratung in Anspruch zu nehmen“, so Gerke. Hier sei auch der persönliche Umgang wichtig und sie müsse die Persönlichkeit der Schüler immer im Blick haben. „Manche sind sehr selbstbewusst, andere sehr schüchtern – sie alle müssen die Chance haben, mich hürdenlos ansprechen zu können“, betont Gerke, die sich insgesamt sehr gut integriert in der Schule sieht und ihr Büro im SchuBIZ, dem schulinternen Berufsinformationszentrum hat.
In ihrer Arbeit gehe es ihr immer darum, gemeinsam mit ihren Kapitän/innen eine für sie passende Anschlussperspektive finden. „Es kann auch sein, dass sich Entscheidungen während des Bewerbungsprozesses ändern, dann beginnt die Beratung mit einem anderen Schwerpunkt erneut – auch das ist eine Perspektive“, betont Gerke. Der überwiegende Teil der Schülerinnen und Schüler besuche im Anschluss an die KGS eine Berufsbildende Schule. „Dort fällen sie dann ihre Entscheidung für einen Berufszweig“, berichtet Gerke. Da sie viel Zeit mit den Schülern verbringe, merke sie auch schnell, ob das jeweilige Ausbildungsziel dem eigenen Wunsch entspricht. „Manche wählen eine Ausbildung, um ihre Eltern oder Freunde nicht zu enttäuschen, was in der Regel nicht funktioniert“, so Gerke. Dann müssen ihre Kapitäne eine andere Richtung einschlagen – und Gerke lotst sie zu einem anderen Ziel.
Zum Hintergrund:
„Ausbildungslotsen“ ist ein Projekt der Region Hannover und der Bundesagentur für Arbeit. Bis zu diesem Jahr sind fünf Millionen Euro in das Projekt geflossen. Die AWO Region Hannover ist einer von mehreren Trägern – insgesamt sechs Ausbildungslotsen stellt die AWO an den folgenden Schulen: IGS Langenhagen, IGS Garbsen, IGS Kronsberg, KGS Ronnenberg, IGS Südstadt, Südstadtschule und Ricarda-Huch-Schule.
Text & Foto: Christian Degener/AWO