Region Hannover/ Hannover. Darf ein Kind entscheiden, mit wem und wo es spielen möchte? Darf es schlafen, wann es will oder sind feste Zeiten notwendig? Was dürfen sie selbst entscheiden und wo bestimmen die Eltern und Erzieherinnen mit? Mit diesen Fragen haben sich jetzt die acht Mitarbeiterinnen der AWO Krippe in der Höltystraße in Hannover befasst. „Wir wollen unserer Einrichtung eine Kita-Verfassung geben“, sagt Wiebke Sturm, Leiterin der Einrichtung. Ziel der AWO Region Hannover ist es, dass alle 53 AWO Einrichtungen eine Verfassung bekommen, die die Mitarbeitenden selbst erarbeiten. Begleitet und moderiert wurde der Prozess von der AWO Fachberatung. „Eine Kita-Verfassung ist ein wichtiges Instrument, um Beteiligung für Kinder zu organisieren. Sie schafft für alle – Kinder, Eltern und Mitarbeitende – zuverlässige Regeln“, sagt Denise Damerau von der AWO Fachberatung.
Anna will draußen spielen. Ihre Erzieherin zieht ihr eine Jacke an, doch die Kollegin auf dem Außengelände fragt die Dreijährige, warum sie bei dem Wetter eine Jacke trägt. „Dies ist nur ein Beispiel, das im Alltag zu Unstimmigkeiten führen kann. Wir haben uns jetzt darauf verständigt, dass die Kinder diese Entscheidung ab einer gewissen Temperatur selbst treffen“, berichtet Sturm. Auch beim Essen dürfen die Kinder künftig viel entscheiden, aber nicht alles: Ob, wann und in welcher Reihenfolge innerhalb der Gruppe obliegt den Wünschen der Kinder. Auch wo – ausgenommen sind die Waschräume, das Büro und die Küche. Aber: „Die Erwachsenen entscheiden, was auf dem Speiseplan steht, mit Ausnahme von einem Tag pro Woche, an dem es ein Wunschessen der Kinder gibt“, sagt Sturm.
Selbstbestimmung und Mitbestimmung seien wichtige Kinderrechte. Die UN-Kinderrechtskonvention habe bereits vor mehr als 30 Jahre festgelegt, dass Kinder bei allen, sie betreffenden Entscheidungen nach ihrer Meinung gefragt und diese dann auch berücksichtigt werden müssen. In Deutschland fordern Kinderrechtsorganisationen schon lange, die Rechte von Kindern im Grundgesetz zu verankern. „Wir verankern diese Rechte nun in unserer Kita-Verfassung“, betont Sturm. Bei allen Bereichen wie Schlafen, Essen, Wickeln, Toilettengänge, Raumnutzung und Ausstattung werde detailliert festgelegt, wer künftig was entscheidet: Erwachsene, Kinder oder alle gemeinsam. „Es gibt keine Ausnahmen: Die Rechte stehen den Kindern verlässlich zu und können ihnen nicht von einzelnen Erwachsenen aberkannt werden“, so Sturm.
Die Erarbeitung der Verfassung sei ein demokratischer Prozess, denn sie solle nur Vereinbarungen enthalten, die das ganze Team trägt. Sturm sieht in den verbindlichen Regeln eine Erleichterung für ihr Team. „Feste Regeln schaffen Verlässlichkeit und Sicherheit in der alltäglichen Arbeit – auch für unsere Vertretungskräfte“, so die Krippenleiterin. Am Ende werden die Ergebnisse in einem Heft zusammengefasst und dem Elternbeirat präsentiert. Damit die Kinder ihre Rechte auch kennen, werden sie in den einzelnen Bereichen visualisiert – mit Bildern, die die Kinder leicht verstehen können.
Text & Foto: Christian Degener/AWO