Haben das Fachgespräch der AGW moderiert, von links: Dr. Bettina Doering, Bereichsleiterin Migration und Integration der Landeshauptstadt Hannover, und Gabriele Schuppe, Fachbereichsleiterin der AWO Region Hannover

“Bessere Deutschförderung für Zugewanderte”

Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (AGW) hat Fachgespräch veranstaltet

Integrationskurse sind die zentrale Maßnahme des Bundes zum Erlernen der deutschen Sprache. Doch immer mehr Zugewanderte bestehen die Prüfung nicht: Die Durchfallquote im Sprachtest B1 beträgt derzeit 50 Prozent. Rund 100 Teilnehmende aus Integrationskurs- und Bildungseinrichtungen, Verwaltung, Kammern und Beratungseinrichtungen verfolgten am 24. September das Fachgespräch der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (AGW) mit dem Titel „Deutschförderung für erwachsene Zugewanderte“ im Kulturzentrum Pavillon. Auf dem Podium haben Fachleute über Ursachen diskutiert und innovative Ansätze der Sprachvermittlung vorgestellt.

Die Durchfallquote sei signifikant, betonte Rainer Müller-Brandes, stellvertretenden AGW Vorsitzender, der den Fachtag eröffnete. „Die Sprachförderung muss so organisiert sein, dass jeder, der zu uns kommt, die Sprache lernen kann“. Dafür würden vernünftige Rahmenbedingungen benötigt. „Der Fachtag will mit Ideen und Lösungsvorschlägen dazu beitragen“, so Müller-Brandes. Für die AGW ist die Bedeutung von Integrationskursen enorm wichtig. Deren Qualität entscheidet maßgeblich über Bestehen oder Durchfallen. „Einen richtigen Job und neue Freunde zu finden, überhaupt anzukommen in dieser Gesellschaft, alles das funktioniert nur, wenn wir miteinander sprechen können“, sagte Nezir Begovic, stellvertretender Fachbereichsleiter bei der AWO Region Hannover auf der Veranstaltung. Deshalb müsse der Zugang zu Integrations- und Sprachkursen allen Flüchtlingen und Migranten gewährt werden, völlig unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.

Situative Räume schaffen 
„Migration und Flucht sind mit dem selbstverständlichem Verlust der eigenen Sprache verbunden“, erklärte Ariane Steuber, Leibniz Universität Hannover, in ihrem Impulsreferat „Integration als Schlüssel zur Sprache“. Die Referentin setzt sich für einen ressourcenorientierten Ansatz zum Sprachlernen ein, zum Beispiel Sprachkompetenzen im Rahmen von Arbeitstätigkeiten zu erweitern. „Der Gebrauch von Sprache ist an situative Räume gebunden.“ Im Zentrum beim Erlernen einer Sprache stehe immer das Sprachhandeln. Das bestätigt auch Podiumsteilnehmer Waseem Asour, Service Mitarbeiter bei der Telekom und ehemaliger Deutschkursteilnehmer. Er habe am meisten beim Erlernen der deutschen Sprache von alltäglichen Situationen, zum Beispiel in der Schule, auf dem Markt, in der Nachbarschaft, beim Fernseh- und YouTubeschauen, profitiert.

Claudia Bartholomeyczik stellte in ihrem Vortrag dramapädagogische Ansätze für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache vor. Die Theaterpädagogin rät dazu, sie in Sprachkursen mit einzubeziehen. Dies sei auch für Menschen mit niedrigem Sprachniveau ein guter Zugang. „Sprache ist Leben und Leben lehrt Sprache“, so Bartholomeyczik.

In der Podiumsdiskussion stellten sich die Podiumsteilnehmenden den Fragen der beiden Moderatorinnen Dr. Bettina Doering, Bereichsleiterin Migration und Integration der Landeshauptstadt Hannover, und Gabriele Schuppe, Fachbereichsleiterin der AWO Region. Auf die hohe Durchfallquote angesprochen, antwortete Gunter Knauer, Regionalkoordinator vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass die Durchfallquote vor fünf bis sieben Jahren noch anders war. „Damals waren es überwiegend Zugewanderte aus den EU-Staaten.“ Der Teilnehmerkreis habe sich seitdem gewandelt. „Personen kommen mittlerweile häufiger aus Ländern, in denen das Schulsystem noch nicht so weit entwickelt ist, wie beispielsweise Syrien, Irak, oder Afghanistan“, erklärte Knauer. Daher hätten viele Personen zum Teil noch keine Lesekenntnis und müssen erst alphabetisiert werden, um dann die deutsche Sprache lernen zu können.

Eine große Herausforderung für die Organisation von Sprachkursen sieht Inga Lücking vom Fachbereich Soziales, Region Hannover in den Rahmenbedingungen. „Das Themenfeld, in dem wir uns bewegen, ist sehr dynamisch – es gibt häufige Gesetzesänderungen und eine sehr unsichere Rahmenstruktur, die es schwierig machen, weit vorauszuplanen“, sagte die Koordinatorin der regionalen Sprachförderung. Problematisch sei nicht, dass es zu wenige Angebote gebe, sondern eher die große Angebotsvielfalt, ohne auf die tatsächlichen Bedarfe zu achten. Lücking plädiert für einen bedarfsorientierten Ansatz. „Dabei können auch Netzwerktreffen zwischen den Trägern, sowie ein aktiver Austausch helfen, um zu wissen, was es bereits gibt, und wo noch Bedarf besteht, um die Zielgruppe der Sprachlernenden zu erreichen.”

„Die Kursteilnehmenden abholen und mitnehmen“ 
Klassische Lernmethoden allein können den unterschiedlichen Lernvorerfahrungen kaum gerecht werden. Verbesserte Lernstrategien, wie beispielsweise die Digitalisierung, bieten viele Möglichkeiten innovativer Ansätze der Sprachvermittlung. „Neue Konzepte seien für das Lernen wichtig“, bestätigte Asour auf dem Podium. Als Fachinformatiker sehe er es als notwendig an, dass Technologien, wie das E-Learning, genutzt würden. Beim interaktiven Lernen mit einer Sprach-App könnten Gespräche, zum Beispiel beim Arzt oder Einkaufen, simuliert werden. Auch Heike Seiker, Leiterin der Einrichtung Sprache und Integration bei der AWO, sieht in der Digitalisierung und dem Einsatz neuer Medien große Chancen, fügte aber an, dass hierbei auch ein entsprechendes technisches Know-How bei den Lehrenden vorauszusetzen sei. „Auch ist es notwendig, die Kursteilnehmenden bei ihrem individuellen Kenntnisstand „abzuholen“ und mitzunehmen. Darüber hinaus sei es wichtig, den Kursalltag authentischer und abwechslungsreicher zu gestalten – durch die Vermittlung von Praktikumsstellen sowie die Besichtigung von Betrieben und Unternehmen.

Fazit: Neben verbesserten Rahmenbedingungen und der Differenzierung der Kursarten soll die Vielfalt der methodischen Möglichkeiten der Sprachvermittlung für Erwachsene stärker genutzt werden, da sie von zentraler Bedeutung für die Lernerfolge der Teilnehmenden ist.

Die Mitglieder der AGW in der Stadt und Region Hannover sind: Arbeiterwohlfahrt Region Hannover e.V., Hannover Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk, Der Paritätische Hannover

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