Hannover. Um fünf vor zwölf haben sich heute mehr als 80 Jugendliche und Mitarbeitende der Jugendwerkstätten der Region Hannover vor dem niedersächsischen Landtag versammelt, darunter auch Teilnehmerinnen und Mitarbeiterinnen der Jugendwerkstatt Nadelöhr der AWO Region Hannover. Mit der Aktion haben sie auf die Situation der Jugendlichen in der Corona-Krise aufmerksam gemacht. Gleichzeitig dazu ist die Zukunft der Jugendwerkstätten ab 2022 weiterhin unsicher.
Ausgelöst durch die Corona-Krise besteht in Deutschland die seit Jahren höchste Jugendarbeitslosigkeitsquote. Insbesondere benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene drohen dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu werden, heißt es in einer Stellungnahme des Arbeitskreises der Jugendwerkstätten der Stadt Hannover und des Umlandes. Bereits jetzt werde deutlich, dass sich die Situation auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt 2020 und auch in den Folgejahren dramatisch verschlechtern wird.
Die genauen Folgen seien schwer abzuschätzen, deutlich sei jedoch, dass insbesondere die marktbenachteiligten Jugendlichen bedeutend mehr Unterstützung benötigen, einen Ausbildungsplatz zu finden, als in den Jahren zuvor. Schon vor der Corona-Pandemie zeigte sich, dass ein konstanter Anteil der jungen Erwachsenen (13 bis 14 Prozent der Gesamtzahl) ohne formale Qualifikation bleibt. Im Jahr 2018 verfügten nach den Daten des Mikrozensus 14,4 Prozent (hochgerechnet 2,12 Millionen) der jungen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren in Deutschland über keinen Berufsabschluss. Insbesondere vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftebedarfs sind diese Zahlen alarmierend.
Seit Jahrzehnten sind Jugendwerkstätten ein elementarer Bestandteil der sozialen Jugendarbeit und ein wichtiger Bestandteil der Bildungslandschaft – nicht nur in Hannover. Zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene, die sich nach der Schule in einer Orientierungsphase befinden und sich im Bewerbungsdschungel allein nicht zurechtfinden, können durch den Besuch der Jugendwerkstatt in ihren Berufswünschen und ihren weiteren Zielen stabilisiert, orientiert und bestärkt werden. Die Jugendwerkstätten leisten zudem wichtige psychosoziale Unterstützung gerade bei der durch die Corona-Krise drohenden Perspektivlosigkeit.
Die AWO Jugendwerkstatt Nadelöhr hat in der aktuellen Förderperiode seit dem 1. April 2018 bis zum heutigen Tag über 100 Frauen, darunter auch viele geflüchtete junge Frauen oder im Rahmen eines Familiennachzug nach Deutschland migrierte Frauen, Alleinerziehende und viele ohne Schulabschluss, unterstützt und begleitet. Es werde immer einen gewissen Prozentsatz von jungen Menschen geben, die den Übergang von Schule und Beruf nicht allein schaffen und Hilfe benötigen“, sagt AWO Mitarbeiterin Gudrun von Alten. „Diese jungen Menschen können wir nicht einfach fallenlassen.“
Der langfristige Fortbestand der Jugendwerkstätten in Niedersachsen ist ungewiss. Die Finanzierung ist derzeit nur bis zum 30. Juni 2022 über Landes- und EU-Mittel sichergestellt. Die Weichen für die weitere Finanzierung der Jugendwerkstätten ab Juli 2022 muss jetzt durch die niedersächsische Landespolitik gestellt werden, fordert der Arbeitskreis.