Region Hannover/ Hannover. Von der Verschuldung in die Überschuldung ist es manchmal nur ein kleiner Schritt und in Zeiten von rasant steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel und großer Unsicherheit in der Wirtschaft ist dieser schnell getan – mit verheerenden Folgen. Darauf macht die bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung vom 30. Mai bis zum 3. Juni 2022 aufmerksam und fordert ein Recht auf Schuldnerberatung für alle und einen Ausbau der Schuldner- und Insolvenzberatung.
„Eine Krankheit, Kurzarbeit oder eine heftige Nachzahlung beim Stromversorger: Vieles kann die eigene Finanzlage aus dem Gleichgewicht bringen. Das haben wir in der akuten Phase der Pandemie erlebt und das erleben wir jetzt vor dem Hintergrund steigender Preise,“ so Matthias Wenzel, Schuldnerberater der Caritas in Hannover. „Und plötzlich ist man nicht mehr bloß verschuldet, sondern überschuldet, und damit gefangen in einem Teufelskreis aus Forderungen, die nicht beglichen werden können, Stigmatisierung und Scham sind die Folge.“ Im Rahmen der Aktionswoche mit dem Motto „… und plötzlich überschuldet“ fordern die 14 Schuldnerberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände in der Region Hannover ein Recht auf Schuldnerberatung für alle.
Wer sich Hilfe holt, hat bessere Chancen, aus der Überschuldung zu kommen. Dafür sind die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen da. Sie zeigen Wege auf, um die eigene finanzielle Situation zu stabilisieren und nachhaltig zu verbessern.
So berät die AWO in ihren drei Beratungsstellen im Durchschnitt 650 Personen im Jahr, auch bei der Caritas liegen die Zahlen an den Standorten Hannover, Burgwedel, Isernhagen und Wedemark ähnlich hoch. Ebenso auch bei den neun Beratungsstellen der Diakonie in Stadt und Region Hannover.
Wie an vielen anderen Orten in Deutschland auch, werden aber die Wartezeiten immer länger. „Aktuell ist in Hannover mit vier Wochen Wartezeit zu rechnen, um einen Termin bei uns zu erhalten“, sagt Philipp Vorwergk von der AWO Schuldnerberatung. „Akute Notfälle, zum Beispiel bei einem gesperrten Konto, Mietschulden oder einer drohenden Energiesperre versuchen wir natürlich kurzfristig zu bedienen.“
Längst nicht alle Menschen können kostenfreie Beratungsangebote wie die der Wohlfahrtsverbände in Anspruch nehmen, da nicht genügend soziale Schuldnerberatungsstellen zur Verfügung stehen.
Im Gegensatz zu gewerblichen Anbietern ist die gemeinnützige soziale Schuldnerberatung für die überschuldeten Menschen kostenfrei. Die gemeinnützige Schuldnerberatung wird bundesweit aber uneinheitlich finanziert und ist chronisch unterfinanziert. Bereits vor der Corona-Krise konnten nur zehn bis 15 Prozent der überschuldeten Menschen beraten werden.
„Wenn man weiß, wie wichtig eine gute Beratung für die Überwindung der Überschuldung ist, leuchtet nicht ein, warum nicht alle, die in Schwierigkeit geraten, diese nicht in Anspruch nehmen dürfen,“ so Christian Ernst, Schuldnerberater des Diakonischen Werkes Hannover. „Wir fordern ein Recht auf eine kostenfreie Beratung für alle und einen konsequenten Ausbau der Beratungsstellen, mit einer stabilen Finanzierung. Mit der passenden Hilfe können Existenzen gesichert werden“.