Region Hannover/ Hannover. Der Übergang von der Jugend ins Erwachsenenalter ist eine prägende Zeit, in der viele Weichen gestellt werden. Junge Menschen stehen in dieser Phase vor Herausforderungen wie schulische und berufliche Perspektiven, Selbstfindung und den ersten Schritten in die Selbstständigkeit. In der aktuellen Ausgabe unseres Magazins „AWO ImPuls“ beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit dem Thema „Was junge Menschen bewegt“. Den Auftakt bildet die Geschichte von Mamadou, der sich nach seiner Flucht aus Guninea in Deutschland Den Auftakt bildet die Geschichte von Mamadou, der sich nach seiner Flucht aus Guninea in Deutschland Schritt für Schritt ein eigenständiges Leben aufbaut.
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Der Weg in ein eigenständiges Leben ist für junge Menschen oft herausfordernd. Es geht nicht nur darum, eine Wohnung und einen Beruf zu finden, sondern auch darum, den Alltag zu meistern und seinen Platz im Leben zu finden. Orientierung und Unterstützung sind dabei ebenso wichtig, wie jemand, der in schwierigen Momenten zur Seite steht. Nach seiner Flucht aus Guinea war Mamadou B. in Deutschland zunächst auf sich allein gestellt. Doch durch gezielte Unterstützung gelang es ihm, sich Schritt für Schritt ein eigenständiges Leben aufzubauen. Seine Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, jungen Menschen Perspektiven zu bieten.
Mit seinen 24 Jahren hat Mamadou schon viel erlebt und durchgemacht. Geboren in Conakry, der Hauptstadt Guineas in Westafrika, musste er mit 14 Jahren wegen familiärer Probleme fliehen. „Ich habe meine Mama und meinen Papa verloren.“ Mehr möchte er über diese Zeit nicht erzählen und sich auch nicht darin erinnern. 2014 verließ er sein Heimatland und kam über Marokko und Spanien schließlich im Januar 2016 nach Bremen, wo er seinen Asylantrag stellte. Von dort wurde er nach Cloppenburg in Niedersachsen geschickt, wo er in einer Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Geflüchtete lebte. Dort lernte Mamadou, dessen Muttersprache Französisch ist, Deutsch und machte seinen Hauptschulabschluss.
Auf der Flucht hat Mamadou seine Freunde verloren. Sie haben versucht, mit dem Boot das Festland zu erreichen und sind ertrunken. Das beschäftige ihn auch heute noch sehr, sagt er leise. Er selbst hat es über den Grenzzaun zwischen Marokko und der spanischen Exklave Ceuta geschafft, die auf dem nordafrikanischen Festland an der Straße von Gibraltar liegt.
Im Jahr 2018 zog er nach Hannover, um eine Ausbildung als Pflegehelfer am Diakonie-Kolleg in Kleefeld zu beginnen. Das Jugendamt vermittelte ihm eine Wohngruppe, doch mit 18 Jahren musste er ausziehen und sich eine neue Bleibe suchen. Eine Mitarbeiterin der AWO, die ihn während der Ausbildung betreute, machte ihn auf das Angebot der AWO „Jugendwohnen im Stadtteil“ aufmerksam. Nach zwei Monaten auf der Warteliste konnte Mamadou in Linden eine Wohnung beziehen. Das Angebot der AWO richtet sich an junge Menschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren. Schwerpunkte der Arbeit sind die begleitende Beratung bei der Entwicklung von Wohn- und Lebensperspektiven sowie die Unterstützung bei der Berufsfindung und beim Erreichen von Schulabschlüssen. Am Standort Fössestraße in Linden hält die AWO acht Ein- und Zweizimmerwohnungen vor, die von den Hilfesuchenden befristet angemietet werden können. Am Standort Nordstadt besteht eine Kooperation mit der Wohnungsgenossenschaft WOGE Nordstadt e.G. für die Belegung durch die AWO. Die jungen Menschen mieten den Wohnraum selbst an. Die räumliche Nähe dieser Wohnungen zu den beiden Beratungsbüros ermöglicht kurzfristig einen Austausch zwischen ihnen und den AWO Fachkräften vor Ort.
Während seiner Zeit in der AWO Einrichtung wurde Mamadou unterstützt und begleitet. „Ich kannte mich in Hannover ja überhaupt nicht aus, wusste nicht, was mir zusteht oder welche Fördermöglichkeiten es gibt“, erzählt er. Rüdiger Hauschild, der damalige Sozialpädagoge in der Jugendwohnbegleitung, half ihm bei Behördengängen, Bewerbungen und stand ihm bei Fragen immer zur Seite. „Er hat mich zum Jobcenter begleitet oder war auch mal bei einem Vorstellungsgespräch für einen Praktikumsplatz dabei. Das hat mir sehr geholfen.“
Mamadou hat seine Ausbildung zum Pflegehelfer erfolgreich abgeschlossen. „Als Corona kam, war ich mit meiner Ausbildung fertig und habe dann ein zweimonatiges Praktikum im Seniorenzentrum Godehardistift in Linden gemacht. Danach haben sie mich übernommen und seitdem arbeite ich dort.“
Nach mehreren Jahren in der AWO Wohnung lebt Mamadou jetzt nach langer Suche in einer eigenen Wohnung in Vahrenwald. Das Angebot „Jugendwohnen im Stadtteil“ ist eigentlich auf zwei Jahre begrenzt. Aufgrund der angespannten Wohnungssituation sei es für die jungen Menschen nicht einfach, danach auf dem freien Wohnungsmarkt eine eigene Wohnung zu finden, erklärt Sozialpädagoge Peter Märtens, der nach dem Ausscheiden von Rüdiger Hauschild für Mamadou zuständig war. „Ich habe viele Absagen bekommen“, sagt Mamadou „Auch wegen meiner Hautfarbe.“ Viele Vermieter hätten Vorbehalte gegenüber dunkelhäutigen Menschen. Die Wohnung hat er dann im Internet gefunden. Doch sie war heruntergekommen und musste komplett renoviert werden, erzählt Mamadou. Der Vermieter habe ihm angeboten, ein Jahr mietfrei dort zu wohnen, wenn er die Renovierung selbst übernehme. Und das hat er mit Hilfe von Peter Märtens auch geschafft.
Mamadou freut sich sehr darüber, unabhängig in einer eigenen Wohnung zu leben. Vor einem Jahr hat er seinen Führerschein gemacht und richtet sein Leben zunehmend selbstständig ein. In seiner Freizeit geht er ab und zu mit Freunden ins Fitnessstudio, spielt gerne Playstation oder schaut Fußball. „Ich habe jahrelang selber Fußball in verschiedenen Ligen gespielt.“ Doch nach einem Kreuzbandriss vor einigen Jahren könne er leider nicht mehr regelmäßig spielen. „Ab und zu mal, wenn es möglich ist und mein Knie das mitmacht.“
Mamadou ist dankbar für die Hilfe, die er von der AWO und den Menschen in seinem Umfeld erhalten hat. „Als Herr Hauschild vor einiger Zeit in den Ruhestand gegangen ist, hatte ich schon ein bisschen Sorge und Bedenken wegen des Nachfolgers – ob das auch so gut funktionieren würde“, sagt er. Aber mit Peter Märtens klappt es super. „Er ist wie ein richtiger Freund. Wenn ich Fragen habe oder Unterstützung brauche, kann ich ihn anrufen und hier vorbeikommen.“ Bisher habe er in Deutschland viele positive Erfahrungen gemacht und Unterstützung erhalten, die ihm geholfen habe, sich eine Zukunft aufzubauen. „Als ich damals mein Heimatland verlassen habe, habe ich so etwas nicht erwartet. Ich bin weggegangen und habe überhaupt nicht gewusst, was später sein wird und was passiert.“
Dennoch gibt es auch Dinge, die er vermisst: „Ich vermisse die Menschen draußen auf der Straße, die Fröhlichkeit und die Herzlichkeit. In Guinea war immer viel los, das Leben hat sich draußen abgespielt. Hier sind die Menschen mehr für sich – gehen zur Arbeit, dann nach Hause und dann wieder zur Arbeit.“ Er fügt hinzu: „Mir fehlt meine Schwester, die in Guinea lebt. Ab und zu habe ich noch Kontakt zu Fatoumat.“ Mamadou würde sie gerne nach Deutschland holen.
Außerdem würde Mamadou gerne tanzen gehen. Doch damit hat er keine guten Erfahrungen gemacht. Wenn er mit seinen Freunden unterwegs war, seien sie wegen ihrer dunklen Hautfarbe oft nicht eingelassen worden, erzählt er. „Und das möchte ich nicht wieder erleben.“
Für die Zukunft plant Mamadou, in Hannover zu bleiben. Er hat die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt und möchte sich beruflich in der Pflege weiterentwickeln, von Teilzeit auf Vollzeit aufstocken und vielleicht in der Tagespflege arbeiten.
Text: Gaby Kujawa/AWO, Fotos/reel: Christian Degener/AWO