Region Hannover/ Hannover. Die „Sommerschule“ bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, in den Ferien Lerndefizite abzubauen und an Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Die Stadt Hannover organisiert dieses Angebot zusammen mit dem Jugendwerk der AWO. Ein Besuch an zwei Grundschulen zeigt: Das Projekt ist ein Erfolg. Hier ein Bericht über die Sommerschule aus dem vergangenen Jahr:
Matteo will lieber Fußball spielen, statt Mathe zu lernen. Draußen scheint die Sonne. Und eigentlich hat er Sommerferien! Der 7-Jährige sitzt in einem Klassenraum der Grundschule „In der Steinbreite“ und ist genervt. „Ich werde Profifußballer so wie Mbappé. Da muss ich nicht rechnen können!“, beschließt er. Die sechs Jungen und Mädchen, die mit dem Zweitklässler im Unterrichtsraum sitzen, horchen auf. Da ist was dran, oder? „Wenn du nicht rechnen kannst, wirst du vielleicht bei deinem ersten Vertrag mit einem Verein betrogen“, erwidert sein Betreuer. „Dann verlierst du Millionen“, ruft ein Mitschüler. „Okeeee“, sagt Matteo und macht sein Übungsblatt weiter. „Fußball spielen wir gleich in der ersten Pause“, verspricht sein Betreuer.
Die sieben Kinder, die hier an einem Sommerferientag in der Grundschule sitzen, haben Probleme beim Rechnen, Lesen oder Schreiben. Ihre Eltern können ihnen oft nicht dabei helfen, die Defizite auszugleichen, weil sie selbst nicht gut Deutsch sprechen, einige sogar schlechter als ihre Kinder. Die Sommerschule ist ein Bildungsangebot, das von der StadtHannover finanziert wird und Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bietet, in kleinen Gruppen Lernrückstände aufzuholen und Wissenslücken zu schließen. Es geht auch darum, dass in den Ferien keine neuen Lücken entstehen.
Umgesetzt wird dieses Projekt mit dem Jugendwerk der AWO Region Hannover und Studierenden des Instituts für Sonderpädagogik an der Leibniz Universität Hannover. 2023 nahmen 27 Schulen in Hannover, davon neun Grund- und 18 weiterführende Schulen an 14 Standorten teil. Gut 100 Lehramtsstudierende des Instituts für Sonderpädagogik und anderer Hochschulen arbeiten in Kleingruppen mit fünf bis zehn Kindern und Jugendlichen. „In unseren Grundschulklassen sind teilweise 26 Kindern. Das Lernen in der Kleingruppe mit einem so guten Betreuungsschlüssel erzielt andere Erfolge“, sagt Wiebke Binderszewsky, stellvertretende Schulleiterin an der Friedrich-Ebert-Schule.
Anke Beßling, Ganztagskoordinatorin der Grundschule „In der Steinbreite“ erklärt: „Viele Kinder leiden noch immer unter den Folgen von Schulschließungen und Distanzunterricht während Corona. Wir wollen diesen Kindern die Möglichkeit geben, sich auf das kommende Schuljahr vorzubereiten und nicht gleich wieder mit Versagensangst zu starten.“
Das Angebot ist für die Schüler*innen kostenfrei. Es beinhaltet neben den Lerninhalten in den Kernfächern Mathematik und Deutsch auch Mahlzeiten, Getränke und Freizeitaktivitäten. Nach den Lernfördereinheiten gibt es Spielzeiten, vielfältige Angebote und Ausflüge, bei denen die Schüler*innen ihr Wissenpraktisch anwenden können und sie motivieren, sich intensiv mit den Lerninhalten auseinanderzusetzen. „Die Sommerschule hat auch eine soziale Komponente. Sie ermöglicht den Schü- ler*innen, neue Freundschaften zu knüpfen und ihre sozialen Fähigkeiten zu stärken“, sagt Petro Podolskiy, der für die AWO an der Friedrich-Ebert-Schule die Ganztagsangebote koordiniert. Die Eltern spielen beim Gelingen der Sommerschule eine zentrale Rolle: Die Anmeldung für die drei Wochen ist verbindlich, damit die Organisator*innen entsprechend planen können. Die Lehrer*innen wählen aus ihren Klassen daher frühzeitig Kinder aus, denen das Angebot nutzen könnte. Die Lehrkräfte und Ganztagskoordinator*innen sprechen daraufhin die Eltern an und lassen sich die Teilnahme bestätigen. „Den Eltern muss bewusst sein, dass ihr Kind in den Ferien drei Wochen lang ab 9 Uhr morgens in die Schule geht“, Anke Beßling, von der Grundschule „In der Steinbreite“. Heißt auch: Die Eltern müssen ihr Kind motivieren, wenn es mal keine Lust hat.
In den vergangenen Jahren hat das gut geklappt, kann AWO Mit- arbeiter Petro Podolskiy berichten: „Die Elternrückmeldungen zur Sommerschule bei uns waren durchweg positiv. Die Eltern, die sich bei uns einmal angemeldet haben, melden sich dann in den Folge-Ferien immer wieder an.“ Auch bei den Lerninhalten hat die Sommerschule Erfolge gebracht, kurzfristige und langfristige. Die stellvertretende Schulleiterin Wiebke Binderszewsky sagt: „Die Schüler*innen konnten ihre Lernstrategien verbessern. Viele haben gelernt, sich Lernziele zu setzen und selbstständig an ihrer Weiterentwicklung zu arbeiten.“
Text: Julia Meyer-Hermann, Fotos: Christian Degener/AWO