Die Teilnehmenden der AWO Sozialkonferenz.

Dritte Sozialkonferenz der AWO Region Hannover

122 Teilnehmende unter dem Motto "Update: Gemeinsam.Demokratie.stärken"

Region Hannover/Hannover. Unter dem Titel „Update: Gemeinsam. Demokratie. stärken“ trafen sich am 10. November 2025 in der Akademie des Sports 122 Leitungskräfte der AWO Region Hannover zur dritten Sozialkonferenz. Im Mittelpunkt standen die Themen Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention – und die Frage, wie demokratische Werte im Arbeitsalltag der AWO gestärkt und weiterentwickelt werden können.

„Wir als AWO setzen uns für Menschen ein, deren Stimme häufig überhört wird. Wir wollen klar Stellung beziehen. Und wir nehmen uns die Zeit, gemeinsam daran zu arbeiten, Demokratie aktiv zu gestalten“, betonte AWO Vorstandsvorsitzender Dirk von der Osten in seiner Begrüßung. Mit Blick auf die aktuelle Stadtbilddiskussion forderte er mehr politische Stimmen, die „sachlich argumentieren, zuhören und zusammenführen“. Sein Appell: „Lasst uns diesen Tag nutzen, um voneinander zu lernen und ins Gespräch zu kommen.“

„Menschen müssen über Zeit, Sicherheit und Anerkennung verfügen, um sich einzubringen“

Den Auftakt bildete der Vortrag von Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Unter dem Titel „Demokratie in Arbeit. Warum gute Arbeit und ein funktionierender Sozialstaat unsere Demokratie stärken“ machte sie deutlich, dass Demokratie mehr ist als ein Recht – „sie muss gelebt werden.“ Und das gelinge nur, wenn Menschen über Zeit, Sicherheit und Anerkennung verfügten, um sich einzubringen.

Angelehnt an den Sozialphilosophen Axel Honneth sprach Kohlrausch von der Idee des arbeitenden Souveräns: Nur wer gute Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung erfährt, könne demokratisch mitgestalten. Gute Arbeit und ein verlässlicher Sozialstaat seien daher Grundpfeiler einer stabilen Demokratie.

Erwerbsarbeit, so Kohlrausch, ist ein zentraler Mechanismus sozialer Integration – sie stiftet materielle Sicherheit, Zugehörigkeit und Selbstwirksamkeit. Doch mit wachsender Einkommens- und Vermögensungleichheit schwinde diese integrative Kraft. Daten aus dem WSI-Erwerbspersonenpanel zeigen zudem, dass finanzielle Sorgen und politische Entfremdung eng miteinander verknüpft sind. Wo Menschen sich wirtschaftlich bedroht fühlen, sinkt das Vertrauen in Politik und Institutionen – ein Boden, auf dem rechtspopulistische Einstellungen gedeihen können.

Zugleich unterstrich Kohlrausch die Bedeutung demokratischer Mitbestimmung am Arbeitsplatz: Beschäftigte, die Mitsprache und Gestaltungsmöglichkeiten erlebten, zeigten mehr Vertrauen in demokratische Strukturen und blickten offener auf gesellschaftliche Vielfalt.

Im zweiten Vortrag stellte Thomas Müller, Referent beim Landespräventionsrat Niedersachsen, das entwicklungsorientierte Modell der Radikalisierungsprävention vor. Ziel sei es, Radikalisierungsprozesse besser zu verstehen und frühzeitig zu verhindern – durch gezielte Förderung gesunder Entwicklungsverläufe von der Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter.

Das Modell basiert auf den Forschungsergebnissen von Prof. Andreas Beelmann (Universität Jena) und zeigt, dass Radikalisierung kein plötzlicher Wandel ist, sondern das Ergebnis komplexer sozialer, gesellschaftlicher und individueller Prozesse. Armut, Diskriminierung oder fehlende Zugehörigkeit können Risiken erhöhen, während stabile Beziehungen, Empathie und demokratische Werte als Schutzfaktoren wirken.

 „Präventive Arbeit muss bereits im Vorschulalter ansetzen“

Müller betonte, dass präventive Arbeit bereits im Vorschulalter ansetzen müsse. In dieser Phase beginne die sogenannte frühe dissoziale Entwicklung – also die Entstehung von antisozialem Verhalten schon in der Kindheit. Frühzeitige Förderung sozialer Kompetenzen, emotionale Bindung und Wertevermittlung seien daher entscheidend, um spätere Radikalisierungstendenzen zu verhindern. Besonders in Phasen der Identitätsfindung im Jugendalter gelte es, junge Menschen zu stärken und positive Entwicklungspfade zu unterstützen. Er beschrieb vier zentrale Radikalisierungsprozesse, die für Präventionsarbeit von besonderer Bedeutung sind:

  • Identitätsprobleme – das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Anerkennung und einem positiven Selbstbild.
  • Vorurteilsstrukturen – die übermäßige Identifikation mit der eigenen Gruppe und die Abwertung anderer.
  • Extremistische Ideologien – die Übernahme geschlossener Weltbilder und Narrative der Ungleichwertigkeit.
  • Dissozialität – die Rechtfertigung und Anwendung von Gewalt oder illegitimen Mitteln zur Durchsetzung von Interessen.

„Prävention bedeutet, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu stärken – bevor sich problematische Einstellungen oder Ausschlussmechanismen verfestigen“, erklärte Müller.

Im Anschluss an die Vorträge erarbeiteten die Teilnehmenden in sechs Gruppen konkrete Präventionsmaßnahmen zu den vier Radikalisierungsprozessen – differenziert nach den verschiedenen Zielgruppen in den Einrichtungen der AWO.

Begleitet wurde die Veranstaltung von der der Graphikdesignerin Anja Weiss, die den gesamten Tag in einem Graphic Recording visuell dokumentierte. In einem großen Bild hat sie die Ergebnisse, zentralen Gedanken, Zitate und Ideen der Teilnehmenden zusammengefasst.

Text: Gaby Kujawa/AWO, Fotos: Christian Degener/AWO

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