Region Hannover/ Uetze. Ben spielt mit seinen Freunden Fußball im Park, als Peter, ein Bekannter seiner Eltern, dort auftaucht und die Kinder beobachtet. Nachdem seine Freunde weg sind, will er noch kurz allein spielen, doch Peter ist immer noch da und beginnt, ihn zu fotografieren. Ben fühlt sich unwohl in Peters Nähe und will seine Eltern anrufen, doch er kann sie nicht erreichen. Schnell steigt er auf sein Rad und fährt zu seiner ehemaligen Kita, weil sie eine Kinder:Schutzinsel ist. Mit Geschichten wie diesen klärt die Kinderschutzallianz über mögliche Gefahrensituationen auf und schafft deutschlandweit sichere Orte für Kinder. Die AWO Kita in Hänigsen ist jetzt ein solcher Ort. „Wir sind jetzt eine Kinder:Schutzinsel“, freut sich Einrichtungsleiterin Katarzyna Rychlicka. Michaela Schneider, Polizeihauptkommissarin und für das Projekt direkt im Niedersächsischen Innenministerium angedockt, hat die AWO Kita jetzt besucht und gemeinsam mit den Kindern einen großen Aufkleber an die Eingangstür geklebt, der die Einrichtung als Kinder:Schutzinsel kennzeichnet.
Auf das Projekt aufmerksam wurde Erzieherin Kimberly Kohlmeyer. Sie entdeckte, dass Pixi-Bücher, die schon länger pädagogischer Lesestoff in der Einrichtung waren, von der Kinderschutzallianz herausgegeben wurden und unter anderem die Schutzinseln thematisieren. Sie tragen Titel wie „Lena sagt Nein!“ und „Hör auf dein Bauchgefühl“ und beschreiben, wie Kinder den Weg zu einer solchen Insel finden. „Das fand ich so toll und sinnvoll, dass ich meinen Kolleginnen und Kollegen davon erzählt habe und wir uns alle sofort einig waren, dass wir bei dem Projekt mitmachen möchten“, so Kohlmeyer.
Das Thema Kinderschutz und der Schutz vor Übergriffen sei in der Kita wie auch in allen anderen AWO Kitas immer ein wichtiges Thema. „Wir besprechen mit ihnen mögliche Gefahren und wie sie sich in solchen Situationen verhalten sollen“, so Rychlicka. Wichtig sei dabei auch, sie zu stärken und darin zu bestärken, auch Nein sagen zu können. „Eine 100-prozentige Sicherheit kann es sicher nicht geben, aber wir erhöhen sie mit unseren pädagogischen Inhalten – und die Teilnahme an diesem Projekt ist ein weiterer Baustein“, so Rychlicka.
Die AWO Kita leistet auch ein wenig Pionierarbeit für Hänigsen und hat die anderen Kitas des Ortes eingebunden. Bei einem ersten Treffen, zu dem Rychlicka eingeladen hatte, waren Vetreter*innen der anderen Kitas, der Grundschule, des Gelben Hauses und des Hortes dabei. „Die Resonanz war toll und auch der Bürgermeister unterstützte das Projekt sofort“, freut sich Rychlicka. Gemeinsam haben sie sich zunächst die Wege zur Schule und zu den Kitas angeschaut. „Kinder besuchen aber auch beispielsweise Freunde oder den Sportverein – deshalb ist es wichtig, dass die Kinder:Schutzinseln gut verteilt sind“, sagt Schneider. „Und es ist gut, wenn die Kinder das Schutzsymbol schon früh kennenlernen, dann verfestigt sich das.“
Bei diesem Treffen stellte sich die Polizistin, die unter anderen auch Fachkraft für Kinderschutz und Kriminalprävention ist, vor und erläuterte, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine Kinderschutzinsel zu werden. Die Teilnahme ist kostenlos, neben öffentlichen Einrichtungen können zum Beispiel auch Unternehmen Schutzinseln werden. „Nur Privatpersonen sind ausgeschlossen“, so Schneider. Voraussetzungen sind: Der Eingang muss ebenerdig sein, darf nicht auf einem Hinterhof liegen und die Räumlichkeiten müssen immer von mindestens zwei Personen besetzt sein. „Zum Schutz des Kindes, aber auch zum Schutz der Mitarbeitenden haben wir ein Sechs-Augen-Prinzip“, erklärt Schneider.
Die teilnehmenden Einrichtungen und Betriebe werden von ihr geprüft, sie kann auch polizeiliche Führungszeugnisse der Mitarbeitenden einholen. Außerdem gibt es eine kleine Schulung, denn es müssen gewisse Regeln beachtet werden: Beispielsweise soll den Kindern aufgrund möglicher Allergien nichts zu essen und außer Wasser auch nichts zu trinken gegeben werden. Wenn ein Kind Hilfe sucht, sollen die Helfenden im öffentlichen Bereich der Einrichtung bleiben, dem Kind zuhören, Empathie zeigen, es nicht gegen seinen Willen festhalten, Name, Adresse und Telefonnummer notieren und die Eltern oder Polizei kontaktieren. Und die Hilfe habe Grenzen. So gehe es nicht darum, psychologische Betreuung zu leisten, sondern darum, ein Bindeglied bei der Verständigung der Erziehungsberechtigten oder je nach Situation der Polizei oder Rettungskräfte zu sein. „Niemand muss Angst vor Überforderung haben“, betont Schneider.
Die Aufkleber sind sehr gut zu erkennen und haben einen hohen Wiedererkennungswert, auch wenn Kinder noch nicht lesen können, betont Rychlicka. Und damit die Kinder ihn noch leichter finden können, hat Schneider den Sticker in etwa einem Meter Höhe angebracht – auf Augenhöhe der Kinder.
Text & Fotos: Christian Degener/AWO