Großes Interesse: Mehr als 90 Fachkräfte aus der Region Hannover, die in ihrem Job mit dem Thema Häusliche Gewalt in Kontakt kommen, nahmen an der Veranstaltung teil.

„Die Trennung ist der gefährlichste Moment“

Fachtag zum Thema „Häusliche Gewalt – Hochrisikofälle“ mit mehr als 90 Teilnehmenden

Region Hannover/Burgdorf. Woran erkenne ich, ob eine ratsuchende Frau von extremer Gewalt bedroht ist? Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es? Und warum trennen sich Frauen nicht so leicht von ihrem gewalttätigen Partner? Diese Fragen haben im Mittelpunkt eines Fachtages zum Thema häusliche Gewalt in Burgdorf gestanden. Die gemeinsam vom BISS Verbund Region Hannover – dem auch die AWO Koordinierungs- und Beratungsstelle bei Häuslicher Gewalt angehört –  und den Polizeiinspektionen Burgdorf und Garbsen organisierte Veranstaltung richtete sich an alle Fachkräfte in der Region Hannover, die in ihrem Job mit dem Thema Häusliche Gewalt in Kontakt kommen. Mehr als 90 Fachleute waren der Einladung in die Räumlichkeiten der Freiwilligen Feuerwehr gefolgt – im Mittelpunkt standen Vorträge von Olga Barbje von der Frauenberatung Osnabrück und Uwe Bollbach von der Polizei Burgdorf. Barbje richtete den Fokus auf sogenannte Hochrisikofälle und deren Management – also jene Frauen, die unmittelbar von extremer Gewalt durch ihren (Ex-)Partner bedroht sein könnten.

Ein Großteil der Forschung zu Risikofaktoren und verfügbaren Instrumenten stammen aus den USA und Kanada. Auch wenn es keine 100-prozentige Sicherheit gebe, seien sie bestens auf ihre Zuverlässigkeit beforscht und die Basis für neuere Instrumente hierzulande. Eines dieser neuen Instrumente ist eine Checkliste mit 20 Fragen, mit der man die Schwere der Gefährdung einschätzen kann. Abgefragt wird beispielsweise, ob der Partner arbeitslos ist, Drogen- oder Alkoholsüchtig, ob sie schon mal gewürgt oder zu sexuellen Handlungen gezwungen wurde und er gedroht hat, sich oder andere umzubringen. Die Antworten werden unterschiedlich gewichtet, am Ende steht eine Punktzahl und anhand einer Skala lässt sich der Grad der Gefährdung ermitteln. 

Die Gefährdungseinschätzung – im Englischen Danger Assesment – sei der wichtige erste Schritt, um einer gefährdeten Frau zu helfen, aus der Gefahrensitutuation entkommen zu können. Dies gestalte sich oft nicht einfach – Frauen verließen ihren gewalttätigen Partner aus unterschiedlichen Motiven nicht. Viele haben Angst vor einer Eskalation. „Die Trennung ist der gefährlichste Moment für die Frau“, sagt Barbje. Manche Frauen haben auch Angst davor, die Familie auseinanderzureißen und „Nestbeschmutzerin“ zu sein, in einem Dorf oder Kleinstadt schlecht dazustehen oder aber auch, weil sie Mitleid haben. „Manche Frauen berichten mir, dass ihr Partner sehr viel Gewalt in der Kindheit erfahren hat und sie die Ersten sind, die ihm Liebe entgegenbringen“, berichtete Barbje. Auch ein geringes Selbstwertgefühl oder ein Pflichtbewusstsein stünden einer Trennung im Weg. 

Um die risikoreiche Trennungssituation zu entschärfen, stünden verschiedene Instrumente zur Verfügung: der Einzug in ein Frauenhaus vor der Eskalation, eine Fremdunterbringung einschließlich der Kinder, die Einbeziehung aller Institutionen bei einer Morddrohung, Sicherheitsberatungen durch die Polizei oder juristische Schritte wie eine Untersuchungshaft.

Um mit diesen sogenannten Hochrisikofällen gut umgehen zu können, sei eine gute Vernetzung der Hilfsangebote und Institutionen wichtig. „Die beteiligten Fachkräfte benötigen regelmäßige, spezialisierte und gendersensible Fortbildungen. Im Mittelpunkt der fachlichen Arbeit steht  die Frau und ihre Selbstbestimmung, die bei der Einschätzung der Lage mit einbezogen werden muss“, so Barbje.

Die Gefährdungsanalyse anhand der Checkliste ist bei jedem Polizeieinsatz anzuwenden, betonte Uwe Bollbach von der Polizei Burgdorf. Er referierte über die neue Handreichung der Polizei zum Umgang mit häuslicher Gewalt in Niedersachsen. Die Ersteinschreitenden müssen im Rahmen der Sachverhaltsaufnahme vor Ort die Fragen gemeinsam mit dem Opfer durchgehen. Anhand dieser Checkliste werde dann eine Bewertung der Gefährdung vorgenommen. 

Am Nachmittag war dann noch jede Menge Platz für den Austausch: Barbje, Lena Fuhrmann von Frauenberatungsstelle Suana und Cosima Bauer von der Polizei Celle – alle drei praxiserfahren im Hochrisikofallmanagement – diskutierten, geleitet von Franziska Burbulla von der AWO Koordinierungs- und Beratungsstelle bei Häuslicher Gewalt, gemeinsam mit dem Publikum über ihre eigenen Erfahrungen und die Möglichkeiten der praktischen Umsetzung.

Ute Vesper, Fachbereichsleiterin Frauen bei der AWO Region Hannover, war sehr zufrieden mit der Resonanz auf den Fachtag: „Das Thema Hochrisikofälle und der Umgang damit im Netzwerk beschäftigt uns schon lange. Toll, dass wir mit unserer Veranstaltung nun jede Menge Impulse für die praktische Umsetzung geben konnten.“

Fotos & Text: Christian Degener/AWO

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